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»Rücken ist auch Spiegel der Seele«

Neue Gesundheitsserie - 1. Folge: »Wirbelsäule und Bandscheiben«

Rahden (WB). »Gesundheit« ist einer der häufigsten Antworten auf die Frage: »Was wünschen Sie sich?« Dieses Thema bewegt die Bevölkerung und aus diesem Grund wird die RAHDENER ZEITUNG gemeinsam mit heimischen Ärzten über Krankheiten berichten, von denen viele Menschen betroffen sind. In der ersten Folge unserer neuen Gesundheitsserie geht es um das große Feld »Rückenschmerzen.« Dazu befragte WB-Redakteurin Elke Bösch den Rahdener Orthopäden Dr. Oilid Mrad Agua.

Rückenschmerzen sind ein großes Gesundheits- und volkswirtschaftliches Problem. Sie verursachen häufigen Arztbesuch, kostenintensive und langdauernde konservative oder operative Behandlung. Wie hoch sind die Kosten, die dadurch entstehen?Dr. Agua: Die Kosten werden jährlich auf circa 20 Millionen Euro geschätzt. 20 Prozent aller Frühverentungen erfolgen aufgrund von Wirbelsäulenerkrankungen. 80 Prozent der Bevölkerung in Industrieländern erkranken in ihrem Leben einmal am Rücken. Man spricht von einer Volkskrankheit.
Was sind die Ursachen für diese Beschwerden?Dr. Agua: Die Gründe sind mannigfaltig. Nicht nur körperliche Erkrankung und Verletzung führen zu Rückenschmerzen. Auch seelische Leiden können sich in körperlichen Symptomen äußern und umgekehrt. Der Rücken ist hierfür sehr disponiert. Man könnte sagen: Er ist der Spiegel der Seele und beeinflusst die gesamte Haltung und Ausdrucksform des Menschen. Die chronischen Rückenschmerzen werden heute nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen als ein bio-psychosoziales Phänomen dargestellt und die Behandlung entsprechend darauf aufgebaut.
Könnten Sie kurz die Bedeutung der Wirbelsäule erläutern?Dr. Agua: Die Wirbelsäule als Achsenorgan ist für die aufrechte Haltung des Rückens von wichtiger Bedeutung. Sie besteht aus 24 beweglichen Wirbeln und zehn weiteren fixierten Wirbeln. Die Wirbel sind aufeinander aufgereiht durch kissenartige runde Bandscheiben, Wirbelgelenke und Bänder miteinander beweglich verbunden und somit wird die Wirbelsäule gesamt als eine funktionelle Einheit dargestellt. Zur besseren statischen Tragfähigkeit und funktionellen dynamischen Eigenschaften hat die Wirbelsäule eine S-Form. Die unteren Lendenwirbel werden am meisten beansprucht, daher finden sich dort auch am häufigsten Bandscheibenvorfälle.
Warum sind gerade von Bandscheibenvorfällen zahlreiche Menschen betroffen?Dr. Agua: Bandscheibenvorfälle spielen bei Rückenschmerzen eine wichtige Rolle. Allerdings sind sie nicht allein für Rückenbeschwerden verantwortlich. Je nach Lokalisation spricht man von cevikale, thorakale oder humbale Syndrome. Zwei Drittel der Erkrankungen entfallen auf den unteren Abschnitt der Lendenwirbelsäule. Im thorakalen Wirbelsäulenabschnitt kommen Bandscheibenvorfälle selten vor. Vorstadium für einen Bandscheibenvorfall ist in der Regel ein bereits abgelaufener Abnutzungsprozess (Degenration). Die Bandscheibe besteht aus einem Faserring mit gallenartigen Kern. Durch die Degeneration entstehen Risse in dem Faserring und durch einen äußeren alltäglichen Anlass (Rückenverdrehen, Heben von Wasserkisten oder ähnlichem) kommt es zum Austritt von Kern-Gallertmasse durch den geschädigten Faserring, die dann auf die Nervenwurzel drücken und plötzliche Kreuzschmerzen verursachen mit Ausstrahlungen in ein Bein oder in beiden, je nach Lokalisation des vorgefallenen Bandscheibenteils. Hierbei spricht man dann von Ischias, beziehungsweise Lumboischialgien. Wölbt sich Bandscheibenmaterial nur vor ohne das äußere Faserringmantel zu verlasen, und werden nur die hinteren Längsbandstrukturen kompriminiert, so entsteht das Bild vom »Hexenschuss«, beziehungsweise Lumbago. Entsprechend Vorfallmasse und Lokalisation variieren auch die Krankheitsbilder und zwar von leichten Rückenschmerzen mit Taubheitsgefühl im Bein bis starke intensive brennende Schmerzen, die bis zum Fuß ausstrahlen, verbunden mit Empfindungsstörungen und Schwäche (Lähmung). Beim Cauda-Syndrom kommt es auch zu Lähmungserscheinungen mit Blasen- und Mastdarmstörungen.
In der nächsten Folge unserer Gesundheitsserie in der kommenden Woche beantwortet der Orthopäde Fragen über Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten.

Artikel vom 22.01.2005