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Schulboykott
in Neuenheerse

Eltern verweigern Kind die Einschulung

Von Michael Robrecht
Kreis Höxter/Neuenheerse (WB). Eltern aus Neuenheerse verweigern ihrem sechsjährigen Sprössling aus religiösen Gründen die Einschulung. Das Schulamt im Kreis Höxter ist tätig geworden, verhängte ein Bußgeld. Jetzt liegt der Fall beim Oberlandesgericht.

Das Schulamt befindet sich in einer unglücklichen Lage. Es muss die Schulpflicht durchsetzen, doch bisherige Maßnahmen wie Gespräche mit den Eltern, Briefe und ein Bußgeld zeigten keine Wirkung. Trotzdem hofft Höxters Schulamtsdirektor Hermann Schmitz auf eine Lösung im Sinne des kleinen Jungen. »Die Eltern geben dem Kind leider nicht die Möglichkeiten, die ihm zustehen«, kritisierte der Schulrat. Das gehe so nicht. Er hoffe, dass doch noch die Vernunft in Neuenheerse einkehre. So soll es ein Gespräch mit dem Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Klaus Lefringhausen, geben, der zurzeit auch das Schlichtungsgespräch mit den bekannten »Paderborner Schulverweigerern« führt, die als Baptisten Schulen boykottieren.
Die Rechtslage im Fall des Neuenheerse Jungen, der eigentlich seit Schuljahresbeginn im September 2004 die Klasse 1 der Katholische Grundschule besuchen soll, wird derzeit geklärt. Das Schulamt erteilte im Herbst einen Bußgeldbescheid. Die Eltern legten Einspruch dagegen ein. Das Amtsgericht Höxter hat die Rechtmäßigkeit des Bußgeldes bestätigt. Dagegen legte der Anwalt der Eltern erneut Widerspruch ein. Das Verfahren liegt nun in der nächsten Instanz beim Oberlandesgericht in Hamm. Dort wird der Beschluss des Amtsgerichtes überprüft. Ist die AG-Entscheidung rechtlich in Ordnung, wird das Bußgeld fällig.
Schulamtsdirektor Hermann Schmitz kann sich an keinen Fall in den vergangenen Jahrzehnten im Kreis Höxter erinnern, wo Eltern ihren Kindern die Einschulung verweigert haben. Was es vereinzelt ab und zu gebe, sei die Ablehnung der Teilnahme am Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen oder die Verweigerung von Klassen- oder Theaterfahrten. »Aber das sind alles Einzelfälle.« 19999 Kinder gingen im Kreis Höxter ohne Probleme in die Schule - und eines nicht, ordnete er den Fall ein. Er wandte sich auch gegen den in vielen Medien verwendeten Begriff des »Schulverweigerers«. Die Eltern verweigerten dem Kind den Schulbesuch und nicht das Kind lehne das Lernen und die Schule ab.
Über die Motivation der Neuenheerser Eltern und ihre genaue Glaubensausrichtung ist nichts bekannt. Sie wird nach Einschätzung der Behörden aber ähnlich gelagert sein wie bei den 15 Kindern und ihren Eltern in Paderborn, die meinen, sich dem westlich-freizügigen System widersetzen zu müssen. Viele haben in Russland oder Kasachstan schon einmal den christlichen Glauben durch Ausgrenzung und Abschottung bewahren müssen - und wollen dies auch hier tun.
Der zuständigen Behörde bleibt in einem Fall von »Schulverweigerung« als letztes Mittel nur die Anordnung einer Abholung des Schülers und die zwangsweise Einschulung bzw. Teilnahme am Unterricht. »Das sollte aber wirklich das letzte Mittel sein«, sagte Schulamtsdirektor Hermann Schmitz, der in Neuenheerse weiter auf eine einvernehmliche Lösung mit den Eltern setzt.

Artikel vom 21.01.2005