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Der Altersmix macht's

Von Forthofstraße: Mütter mit (Schwieger-)Töchtern unterwegs

Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »Schön, dass ihr Jungen mitkommt«, hören die Jungen von ihren Müttern. »Schön, dass ihr Alten uns mitnehmt«, lautet die Antwort der Töchter und Schwiegertöchter. Die Frauen aus der Forthofstraße ziehen seit 1980 zusammen in den Karneval und schätzen an ihrer Gruppe vor allem eins: »Die Altersmischung ist das Wesentliche.« Sie werden an Weiberfastnacht wieder zusammen sein und lachen - verkleidet als bunte Lachsäcke.

Letzter Schliff im Partykeller von Hildegard Brink - Perückenanprobe. Wuschelig oder glatt? »Da musste nach Christel Antpöhler hin«, rät eine der anderen, die noch keine Kopfbedeckung hat. Ingrid Olbrisch ist mit 67 Jahren dieses Jahr die älteste der Forthof-Damen. Sie hat ihre Schwester Gisela Brink abgelöst, die 70 geworden ist und sich den Trubel nicht mehr antun mag. Die jüngste im Reigen ist mit 26 Jahren Yvonne Niggenaber. Die kommt zwar nicht direkt aus der Forthofstraße - aber aus der Nähe, aus dem Sauerland. Mittags trennen sich meist die Wege der Jungen von denen der Alten. Letztere haben es mehr mit der geselligen Gemütlichkeit, während sich die anderen in den ausgelassenen Zelttrubel stürzen.
Weiberfastnacht beginnt mit einem unumstößlichen Ritual. »Bei mir geht es immer los«, sagt Elisabeth Gees, die über eine überdachte Terrasse verfügt und deshalb die Gruppe bei jedem Wetter aufnehmen kann. Dann geht es zum ersten Schnaps zur Fleischerei Sander, Apotheker Andreas Kronsbein bekommt den Schlips abgeschnitten, dafür schenkt er den Frauen eine Schachtel Alka Seltzer. Wenn Elisabeth Gees die Brausetabletten im Zelt verteilt, denkt mancher Außenstehende, sie würde etwas anderes verteilen, das ähnlich eingepackt ist. Bei Franziska Mersch im Elektrohaus stehen auch Gläser bereit, bevor sich die Weiber zum bunten Zug sammeln.
Annemarie Sperlich hat seit 42 Jahren keinen Weiberkarneval verpasst. Anfangs zog sie mit dem Turnverein Amisia los. Und schon wird das Fotoalbum ausgepackt, die Stimmung wird leicht nostalgisch. Und gelacht wird ausgiebig. 1981 suchten die Frauen einen Vater für ihr Kind, als Marktfrauen und Ata-Girls waren sie schon unterwegs, Gemeindedirektor Wilhelm Schlickum musste die Eimer Tragen, die Feuerwehr hatte Schaum in Plastiksäcke gefüllt. »Den Voßebürger vom Amt haben wir immer gern mitgenommen. Der war topp«, zollen die Weiber dem pensionierten Beigeordneten heute immer noch Respekt. 1987 wurden sie als Möhren niemals blau, 1999 wollten alle an ihrem Knusperhaus knuspern, bevor es nach dem Umzug den Kindern zum Plündern freigegeben wurde, bei der 850-Jahr-Feier waren sie die »Fräuleins von der Burg«. Als sie mal keine Idee hatten, meinte eine: »Lasst uns doch als Flasche gehen.« Schon war das Kostüm gefunden.
Die Planung fürs Kostüm beginnt am 11. 11., wenn die Frauen zum Frühstück bei Stermann sitzen und Kataloge wälzen. »Das oder das?« Die ganze Truppe machte jetzt einen »Betriebsausflug« zur Messe »Interkarneval« nach Köln und wurde fündig. Anfang Dezember hatten sie schon ihre Kostüme, drunter schwarze Hosen und einen schwarzen Pullover - und Handschuhe. »Wir haben einen ganzen Beutel davon.« Vier Mal treffen sich die 20 Frauen in großer Runde. »Und dann untereinander. Wir springen hin und her über die Straße, wenn uns eben wieder etwas eingefallen ist.« Mit Hüten gehen sie zum Abschluss in der Fastenzeit groß essen - immer abwechselnd in Stukenbrock und in Hövelhof. »Eine Woche nach Karneval wird man dann schräg angeguckt - aber das ist uns egal.«
»Hauptsache ist, die Mama ist gesund«, singen die Frauen, die auch beim Kinderkarneval dabei sind. Als Zuschauer. Und dann in der Tordeele bei der Wacholderprobe. »Eigentlich mögen wir keinen Wacholder. Da müssen wir aber trinken.«
Beliebt ist die Nachbarschaft der Forthofstraße bei allen Karnevalisten, weil sie ihre Straße immer besonders schön schmückt. »Die Stukenbrocker Fahnen kommen raus. Das ist Pflicht.«
Es soll schon vorgekommen sein, dass die jungen Frauen eher zu Hause waren als ihre Mütter und Schwiegermütter. Der Abschluss wird im Brunnencafé Wölke gemeinsam gefeiert. Aber: »Manchmal ist es besser, wenn man im Dunkeln nach Hause kommt.«

Artikel vom 20.01.2005