20.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Perlend und
ohne Makel

Junger Pianist überzeugt Publikum

Bad Driburg (WB). An diesem Abend war alles etwas anders; die »Gesellschaft zur Pflege klassischer Musik« hatte zu ihrem ersten Konzert des neuen Jahres in den Rathaussaal Bad Driburg geladen. Doch nicht nur die Lokalität war eine andere, sondern auch der Protagonist des Abends. Als Ersatz für den Liederabend mit dem erkrankten Simon Bode war der Pianist Igor Levit kurzfristig eingesprungen.

Aber das Konzert mit dem erst 17 Jahre jungen Pianisten entschädigte das Publikum vollauf. Für sein Programm hatte der Künstler drei sehr unterschiedliche Werke ausgewählt. Ludwig van Beethovens »A-Dur Sonate op.2 No. 2«, ist der ersten Periode seines Sonatenwerkes zu zuordnen. Schon durch die Tonart A-Dur vermittelt das Werk eine heitere Grazie und ein lichtes Klangbild.
Igor Levit traf den heiteren Tonfall der Sonate genau; seine spielerische Anmut, seine leichtfüßige Figuration. Der Anschlag des jungen Pianisten ist perlend und makellos, agogisch gemäßigt seine Interpretation, die Lautstärkenmodulationen differenziert. Feine Nuancen -Êetwa die kleine lyrische Melodie im Scherzo -Êarbeitet er differenziert heraus. Da können sich Beethovens Dramatik und Poesie versöhnlich begegnen.
Ein wahres Kontrastprogramm zu Beethovens Klaviersonate ist Paul Hindemiths viel kritisierte und viel gepriesene »Suite 1922 op.26«. Hindemith gab dem spielenden Pianisten folgendes mit auf den Weg: »Nimm keine Rücksichten auf das, was du in der Klavierstunde gelernt hast. Spiele dieses Stück sehr wild, aber stets sehr stramm im Rhythmus, wie eine Maschine. Betrachte hier das Klavier als eine interessante Art Schlagzeug und handle dementsprechend.« Schon die Überschriften der fünf Sätze: »Marsch«, »Shimmy«, »Nachtstück«, »Boston« und »Ragtime«, weisen auf das Großstadtleben der zwanziger Jahre hin.
Außer dem »Nachtstück« liegt den Sätzen eine groteske Übertreibung der Tanzformen zugrunde. Hindemith versucht das bizarre Lebensgefühl der zwanziger Jahre einzufangen. Anklänge an Jazz, an eine mißtönende Zirkuskapelle oder ein verstimmtes Klavier sind Requisiten, aus denen der Komponist seine Klänge montiert.
Igor Levit ging dem musikalischen »Brocken« mit Enthusiasmus zu Leibe. Mit sichtbarer Spielfreude zeigte er die spektakulären Modulationen und Rückungen auf, ebenso wie die strukturellen Extravaganzen.
Zurücklehnen konnte sich das Publikum erst wieder bei Robert Schumann. Dessen »Fantasie in C-Dur op.17« entstand 1836. Eine schwere Zeit für Robert Schumann. Der Komponist litt damals schon unter Depressionen und war länger als ein Jahr von seiner Geliebten getrennt. Dieser abgrundtiefe Schmerz wird überall hörbar, außerdem war die Fantasie als Huldigung für Beethoven gedacht und zwar als »Obulus auf das Denkmal Beethoven«.
Igor Levit beeindruckte auch hier durch die Tugenden eines empfindungstiefen Musikers. Motivische Arbeit und Polyphonie traten klar zu Tage. Die Kantilenen melodisch mit sanfter Wärme und Tiefe ausgestattet, aber trotzdem unverzärtelt und zügig gespielt, ergab sich ein Monologisieren, das den Überschwang mied und sich seine Reserven aufsparte für jene rätselhaften Momente, die Schumann wie plötzliche Regenschauer auf seine Klavierlandschaften niedergehen lässt. Mit viel Behutsamkeit entfaltete der Pianist die poetischen Qualitäten der langsamen Phasen und dieser melancholische Trauerflor ging auch im bewegten Tritt nicht verloren. Der herzliche Beifall des Publikums erwirkte als Zugabe ein kleines Werk von J. S. Bach. Dagmar Korth

Artikel vom 20.01.2005