19.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Musikalische
Sternstunde
präsentiert

Liedreise durch Europa gelungen

Schloß Holte-Stukenbrock (al). Liederabende gehören zu den Raritäten im Konzertbetrieb. Wenn ein solcher dann zusätzlich auf einem so ungewöhnlich hohen künstlerischen Niveau steht, dass selbst Fachkollegen im Publikum neidlos ihre Bewunderung artikulieren, darf man von einer Sternstunde sprechen. Für die sorgten - auf Einladung des Kulturkreises - am Sonntag in der Versöhnungskirche die Mezzosopranistin Ulrike Mayer und Peter Kreutz am Klavier.
Es sei gleichzeitig eine Veranstaltung im Rahmen des Jubiläumsjahrs »20 Jahre Kulturkreis«, betonte Gerhild Stolper vom Arbeitskreis Musik, die erfreulich viele Besucher auch aus dem weiteren Umkreis begrüßen konnte.
Ulrike Mayer darf man in die Rubrik Ausnahmesängerin einordnen. Die Schülerin unter anderem von Thomas Quasthoff, inzwischen am Opernhaus Magdeburg fest engagiert, verfügt über eine warm timbrierte große Mezzostimme, die sie mit mimischer und dynamischer Beweglichkeit einsetzt, dazu scheint sie über unendliche Atemreserven zu verfügen. Bewundernswert auch die scheinbare Mühelosigkeit der Stimmführung.
Start der musikalischen Liedreise durch Europa mit Rispetti, Piesni und Lullabies war England mit drei Liedern aus dem »Orpheus Britannicus« von Henry Purcell in der Bearbeitung von Benjamin Britten, der den bezifferten Bass durch einen anspruchsvollen Klavierpart ersetzte. Erstaunlich die melodische Erfindungskraft dieses Barockmeisters, dessen ornamentenreiche Lieder von Ulrike Mayer liebevoll und souverän gestaltet wurden. Den Zyklus »A Charme of Lullabies« schrieb sein nicht minder berühmter Landsmann Britten 1947 für Nancy Evans. Mit herkömmlichem »Wiegenlied-Zauber« haben diese prägnanten Lieder mit situationsbezogener Textdeutung wenig zu tun. So ist das dritte ein Dialog sich streitender Eltern, und im vierten scheucht eine wütende entnervte Mutter ihr Kind drohend in den Schlaf »Quiet - Sleep!« Die Stimmung wandelt sich erst mit dem letzten Lied, dem zärtlichen Gesang der Nurse. Die stimmliche und mimische Gestaltungsfähigkeit der jungen Sängerin war von erstaunlicher Reife.
Mit Unterstützung des genialen Partners Peter Kreutz, der auch durch das Programm führte, gelang ihr eine facettenreiche, fast szenisch greifbare Umsetzung dieser Lieder.
Eine weitere Rarität im Programm waren Rispetti von Ermanno Wolf-Ferrari, reizvolle Miniaturen nach italienischer Volkspoesie, präsentiert wie kleine Kostbarkeiten. Zur romantischen Tradition bekannte sich auch der Pole Paderewski, der mit osteuropäischer Mentalität französische Texte vertonte. Sechs der Piesni aus op. 22 eröffneten den zweiten Programmteil, der seinen krönenden Abschluss fand mit den populären Zigeunermelodien op. 55 von Antonin Dvorak. Brillant und temperamentvoll wurden diese »folkloristischen Balladen« geboten - eine Sängerin mit großem Können, Charme und Ausstrahlung und ein Meister in der hohen Kunst der Liedbegleitung bedankten sich für den überaus herzlichen Applaus. Für die Zugaben wurde die Reiseroute nach Deutschland gelenkt: Schubert's »An Sylvia« und die »Lotosblume« von Schumann erfreuten die begeisterten Zuhörer.

Artikel vom 19.01.2005