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Publikum lachte
ganzen Abend

Viel Klamauk in der Hauptschule

Versmold (mh). Wer ein großes Publikum knapp zweieinhalb Stunden vortrefflich unterhalten will, der bedient sich am besten des Themas »Liebe und Beziehungen«, greift ungeniert unter die Gürtellinie und macht auch vor makaberen Witzen nicht Halt. Das erlebt man im Film, in der Kleinkunst und am Montag auch im Theater: Die voll besetzte Hauptschul-Aula sah »Alles Böse zum Geburtstag« - ein großartiger Klamauk.

»Ich nehme damit meine ganze Familie aufs Korn«, verriet Folker Bohnet, Regisseur und Schauspieler, der zusammen mit Alexander Alexy das Lustspiel verfasst hat. Eine Familiengeschichte also, doch die Beziehungen sind nicht gewöhnlich. Müssen doch die Mitglieder dieser Familie damit rechnen, dass sie plötzlich Stiefgeschwister bekommen - oder ihr eigener Großvater werden.
Hauptperson und Verursacher des Trubels ist Richard (Mogens von Gadow). Er wird 80 Jahre alt, viele seiner Freunde sind schon gestorben und diejenigen, die noch leben, sind nur noch »ein Ersatzteillager aus Zahnprothesen, Herzklappen und künstlichen Hüften«, wie er sich ausdrückt. Kurz: Sehr wichtig ist ihm die Feier zunächst nicht. Dazu kommt eine in unregelmäßigen Abständen plötzlich auftretende Senilität, die genauso abrupt wieder verschwindet.
Natürlich trifft sich zu diesem Anlass die ganze Familie: Der Sohn Georg (Harry Wolff) erscheint mit seiner Frau Beata (Silvana Sansoni), der zweite Sohn Joachim (Erwin Geisler) und seine Gattin Sylvia (Karin Buchali) und der Erstgeborene Max (Bohnet) mit seinem festen Freund Wolfgang (Oliver Lohmar), seines Zeichens Schauspieler. Die Handlung ist simpel: Der Witwer Richard bringt mit der Nachricht, er habe eine neue Freundin, die ganze Familie in Aufruhr. Man spekuliert wild, ob die beiden heiraten und wer dann welchen Anteil vom Erbe bekommt. Schließlich erscheint die Dame, Britta, wickelt sämtliche Herren um den Finger und entpuppt sich plötzlich als Wolfgang: Er müsse demnächst einen Mann spielen, der eine Frau spielt und wolle die Überzeugungskraft seiner Darstellung testen. Zum Schluss, nach dem Applaus, erscheint die echte Britta (Christa Herrmann) und die Welt ist wieder in Ordnung.
Die Autoren verarbeiteten einen Gag nach dem anderen: Elegante Wortspiele, einige äußerst flache Witze und schwarzer Humor, dazu viele Anspielungen auf Versmold - sogar das Altstadthotel wurde erwähnt. Dazwischen streuten sie einige Werbeunterbrechungen (»damit Sie sich wie Zuhause fühlen«) und priesen den edlen »Bordeaux malheure« an, das Haftgel für Perücken und Zähne »Drei-Wetter-Haft-Kraft« oder »Jamobs Dröhnung: Der Auferstehungskaffee«.
Hervorzuheben ist, dass die Autoren bei der Charakterdarstellung nicht in Klischees verfielen - wenn auch Beata zuweilen übertrieben naiv auftrat. Hervorragend gemacht waren auch Kostüm und Maskenbildnerei der »unechten« Britta und das glaubwürdige Spiel Lohmars: Selbst das Publikum musste darauf hereinfallen.
Man sah also ein Stück ohne jeglichen Anspruch, Theatergeschichte zu schreiben, das dennoch jedem Zuschauer in vergnügter Erinnerung bleiben wird.

Artikel vom 19.01.2005