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»Ersatzmann« vertritt erste Geigerin perfekt

Manfred-Quartett begeistert mit Melodien von Joseph Haydn, Claude Debussy und Mozart

Steinhagen (WB). Offenbar kennen die Verantwortlichen beim Kulturwerk den Geschmack ihres Publikums: Mit der Auswahl von Josef Haydns Streichquartett in G-Dur und Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenquintett in A-Dur hatten sie genau ins Schwarze getroffen. Auch das Streichquartett in g-moll von Claude Debussy erntete begeisterten Applaus.

Die Aula war zwar nicht voll besetzt, aber die Anwesenden erlebten ein Konzert mit berauschender Melodienfülle. Ein Augenschmaus war es auch: Selten ist die Bühne so geschmückt.
Doch der Abend begann mit einer Hiobsbotschaft: Marie Béreau, Gründerin des Quartetts und erste Geigerin, hatte sich den Arm gebrochen. Marc Danel war ein sehr guter Vertreter, denn er musste sich nicht nur in das Ensemble einfügen, sondern es auch leiten.
Tänzerisch leicht ging es im Allegro con spirito des ersten Satzes zu. Das Adaglo sostenuto des zweiten Satzes baute dagegen auf einer breiten, innigen Melodie auf. Dagegen bot das Menuett des dritten Satzes eine teilweise gezupfte Tanzmelodie, die sich im abschließenden Allegro zu einem flotten Aufgalopp steigerte. Dabei musizierten Marc Danel, Luigi Vetcchioni (zweite Violine), Vinciane Beranger (Viola) und Christian Wolff (Violoncelio) technisch perfekt und einfühlsam miteinander.
Wie seine Zeitgenossen Gustav Mahler und Richard Strauss hat sich Claude Debussy von den Regeln der Kontrapunktik und Metrik gelöst. Sein Streichquartett g-moll ist ein Potpourri bunter Gemälde. »Lebhaft und sehr entschlossen« steht beispielsweise über der Stimmungsmalerei des ersten Satzes, in dem das Bild eines tosenden Wasserfalls abgelöst wird von leise plätschernden Tönen, die in eine breite, ruhige Melodie münden. Der lebhafte und rhythmisch stark strukturierte zweite Satz lebt vom Gegensatz zwischen gezupften und gestrichenen Tönen zwischen lieblichen Einwürfen und wilden Passagen.
Über dem Andantino des dritten Satzes steht die »Regieanweisung« sanft, sacht, leise und ausdrucksvoll. Die Musiker hielten sich daran. Wie ein Liebeslied klingt die Melodie, deren Leidenschaft sich steigert bis zur Ekstase, schließlich von einem weiteren zarten Lied abgelöst wird, das ganz leise in der Unendlichkeit verhallt - eine Meisterleistung.
Ein sehr farbiges Stück bildete den Abschluss des Bilderbogens von Debussy. Zunächst klang es wie ein trauriger Abgesang bis ein Sturmwind die wehmütige Stimmung auseinander bläst, ohne sie ganz verscheuchen zu können. Immer wieder meldet sie sich, bis das ganze überraschend endet.
Nach der Pause kam eine andere Klangfarbe ins Spiel: Der satte Klang von Martin Spangenbergs Klarinette konkurrierte mit den luftigeren Farben der Violinen und reihte sich in das dunkle Klangbild von Viola und Cello. Als Meister seines Fachs brillierte er mit perlenden Passagen und ließ sich von den Streichern mal umwerben, mal unterstützen.
Dazu bot sich Mozarts Klarinettenquintett in A-Dur geradezu an, denn auch Mozart spielt darin mit seinen Melodien, die er den einzelnen Instrumenten zuspielt wie Bälle. Dass sich auch die Zuhörer von diesem Wechselspiel gefangen nehmen ließen, spürte man an der Stille, die im Saal herrschte.
Das abschließende Allegretto gab sich weitgehend tänzerisch. In vielen Variationen wurde das Thema reizvoll verändert, noch einmal konnten Solist und Streicher ihr ganzes Können unter Beweis stellen. Für einen grandiosen Konzertabend bedankte sich das Publikum mit begeisterten Applaus und wurde dafür mit einer Zugabe belohnt: Ein Scherzo/Vivace von Max Reger erinnerte noch einmal an die Debussy-Klänge.
Sieglinde Junker

Artikel vom 17.01.2005