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Zweimal im Leben »rübergemacht«

Anna Köhn feiert heute ihren 90. Geburtstag - In Pium aufgewachsen

Borgholzhausen (kan). Anna Köhn blickt auf bewegte Zeiten zurück. Sie hat nicht nur die Folgen der beiden Weltkriege zu spüren bekommen, sondern auch zwölf Jahre lang mit ihrem Mann Hermann in der DDR gelebt. Heute feiert sie ihren 90. Geburtstag am Binnenfeld in Barnhausen, wo sie inzwischen seit vier Jahrzehnten mit ihrer Familie wohnt.

Das Licht der Welt erblickte die Jubilarin am 18. Januar 1915 in Borgholzhausen. Ihren Vater August Offer hat sie nie kennen gelernt. »Er fiel im Ersten Weltkrieg vor meiner Geburt«, erzählt Anna Köhn. Mit ihrer Mutter Marie Offer und ihren beiden älteren Brüdern lebte sie auf einem kleinen landwirtschaftlichen Anwesen in der Heidbrede, besuchte acht Jahre lang die Piumer Volksschule und unterstützte anschließend ihre Mutter.
Es war Liebe auf den ersten Blick, als sie 1939 ihren Mann Hermann kennen lernte. Er wohnte eigentlich in Nordhausen im Südharz, im Zweiten Weltkrieg war er jedoch für vier Wochen als Soldat in Borgholzhausen stationiert. Briefe, kurze Fronturlaube, Kriegstrauung im Jahr 1943 - es gab für die beiden in den kommenden Jahren nur selten Gelegenheit, voneinander zu hören oder sich zu sehen.
Auch nach dem Krieg musste Anna Köhn noch drei Jahre auf ihren Mann warten, denn er geriet in französische Kriegsgefangenschaft. »1948, als er wiederkam, haben wir dann ÝrübergemachtÜ. Wir sind in die sowjetische Besatzungszone, die ein Jahr später zur DDR wurde, gegangen, weil der elterliche Hof meines Mannes dort lag. Keine leichte Entscheidung«, erinnert sich die 90-Jährige.
Zwölf Jahre lebte das Paar dort. 1949 kam die Tochter Helga zur Welt, sechs Jahre später folgte der Sohn Gerhard. Einmal im Jahr bekam die Familie die Genehmigung, in den Westen, in ihre alte Heimatstadt Borgholzhausen, zu reisen. So war es auch 1960, ein Jahr vor dem Mauerbau, als Anna Köhns Kusine, die heutige Anni Zurmühlen, heiratete. Die Familie Köhn reiste aus dem Südharz an - endgültig, denn in der DDR mit den extremen Lebensbedingungen wollte sie nicht länger bleiben. »Ein wenig Angst hatte ich damals schon, genau wie 1948, als wir dorthin gezogen waren. Ich wusste ja nicht, was uns erwartete«, blickt die 90-Jährige zurück.
Mit ihrem Mann und ihren Kindern wohnte sie zunächst bei ihrer Kusine, später im Haus ihrer Mutter, und 1964 bezog die Familie dann ein Eigenheim am Binnenfeld in Barnhausen. Hier leben Anna und Hermann Köhn heute noch gemeinsam mit ihrem Sohn Gerhard und ihrer Schwiegertochter Bettina. Gesundheitlich fit, kümmert sich Anna Köhn um Haushalt und Garten und erfreut sich an ihren vier Enkeltöchtern. Die sind natürlich auch dabei, wenn am Samstag im Familien- und Freundeskreis in der Gaststätte Zurmühlen gefeiert wird.

Artikel vom 18.01.2005