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Haus erzitterte bei der Explosion

Vor 60 Jahren war Varl Ziel eines Bombenabwurfs im Zweiten Weltkrieg

Von Felix Quebbemann
Varl (WB). Es war ein nebeliger Wintertag. Die damals 25-jährige Sophie Schwettmann war gerade dabei, eine Kuh zu melken, als in Varl die Erde erbebte.

»Es war wie ein Schlag. Das alte Haus quietschte«, erinnert sich die heute 85-jährige Sophie Schwettmann noch genau. Und durch eine unglaubliche Wucht wurde sogar die Kuh von den Beinen geholt. Sophie Schwettmann wusste gar nicht, was passiert war, bis sie nach draußen ging. Dort sah sie mehrere Bombenkrater, die teilweise einen Durchmesser von etwa sieben Metern besaßen und vier bis fünf Meter tief waren.
Varl war am 29. Januar das Ziel mehrere Bombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg geworden, die von einem Geschwader der Alliierten auf den Ort geworfen wurde. Getötet wurde dabei niemand. Und auch Häuser waren nicht direkt betroffen.
»Zwischen zehn und elf Uhr hörten wir die ersten Verbände in Richtung Berlin fliegen«, weiß Sophie Schwettmann zu berichten. Gegen 12 Uhr seien die ersten Flieger wieder zurückgekommen. »Es waren glaube ich fünf Verbände.« Und dann prasselten auch schon mindestens sechs Bomben in unmittelbarer Nähe des Schwettmann-Hauses, heute An den Riehen, nieder. »Ich bin zur Deele gelaufen. Dort war die Tür durch die Wucht aufgesprungen.« Und dann sah Sophie die Bombenkrater, aus denen Wasser in hohen Fontänen spritzte. In kürzester Zeit füllten sich die riesigen Löcher, die kaum 50 Meter vom Haus entfernt waren, mit Wasser. Vermutlich hätten die Bomben Wasseradern getroffen, so Schwettmann. Durch die Wucht der Explosion waren bei Schwettmanns alle Fensterschreiben zersplittert. »Und die Stämme von drei gepflanzten jungen Birken sind über unser Dach auf das Nachbargrundstück geschleudert worden«, sagt die 85-Jährige. Die Äste wurden -Êwahrscheinlich durch die Wucht der Detonation -Êvon den Stämmen getrennt. »Dieses Ereignis vergesse ich auf den Tag und auf die Minute nicht.«
Und auch die heute 75-jährige Erna Bollhorst denkt noch oft an den 29. Januar 1945 zurück. »Wir hatten gerade eine Flüchtlingsfamilie aus dem Rheinland zu Hause und waren dabei, das Mittagessen zu machen, als es knallte.« Einige seien in den Keller gerannt. »Ich bin einfach stehengeblieben.«
Erna Bollhorst, die damals Augenblicke später nach draußen gelaufen sei, habe die Krater in etwa 150 Meter Entfernung gesehen. Die damals 15-Jährige habe zwar keine Angst gehabt. Aber auch im Haus der Bollhorsts waren alle Fenster zerborsten, die in Richtung der Bombenkrater lagen. Dass Varl gezielt von den Bomben getroffen wurde bezweifelt Sophie Schwettmann. »Dafür war es an dem Tag zu nebelig. Die konnten gar nicht sehen, wo die Bomben niedergehen.« Daher vermutet die 85-Jährige, dass Varl zufällig das Ziel eine Abwurfes wurde. Vielleicht hätten die Bomber ihr Gewicht reduzieren müssen, um Benzin zu sparen. Aber das Geräusch, als die Bomben fielen, wird Sophie Schwettmann nie vergessen. »Es war ein Pfeifen und Quietschen. Ich war so geschockt, ich konnte mir nicht erklären, was das für ein Geräusch war.« Selbst das Haus hat stark gezittert. »Wenn ein großes Haus sich so bewegt, bekommt man es schon mit der Angst zu tun.«
Sophie Schwettmann und Erna Bollhorst denken auch heute noch oft an den 29. Januar 1945 zurück -Êder Tag vor nun beinahe 60 Jahren, an dem Varl Ziel eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg wurde.

Artikel vom 15.01.2005