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Die Aktenberge stapeln sich

650 Rietberger erhalten »Arbeitslosengeld II« - Mehr Empfänger als erwartet

Von Meike Oblau
Rietberg (WB). Seit Ende Dezember werden im Rietberger Sozialamt vermehrt Kartons geschleppt und Akten studiert: rund 650 Rietberger erhalten seit Beginn des Jahres das neue Arbeitslosengeld II. »Das sind wesentlich mehr, als wir erwartet hatten«, sagt Sozialamtsleiter Stefan Schulte. Bisher sei alles reibungslos angelaufen, aber: »Die ersten Widersprüche trudeln erst jetzt so langsam ein.«

»Hartz IV« ist in aller Munde, zu Jahresbeginn wurden Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt, für die Bearbeitung ist jetzt das örtliche Sozialamt zuständig. Direkt nach Weihnachten wurden vom Arbeitsamt die Akten der Rietberger angeliefert, die zuletzt Arbeitslosenhilfe bekamen. Für sie ist jetzt nicht mehr das Arbeitsamt, sondern das Rietberger Sozialamt zuständig. Rund 650 Einwohner erhalten das neue Arbeitslosengeld II. »Etwa 70 Prozent der Leistungsempfänger kommen aus dem bisherigen Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt für Arbeit, die restlichen 30 Prozent sind Menschen, die wir bereits im Vorjahr hier im Sozialamt betreut haben«, schildert Stefan Schulte. Derzeit sind mit Fallmanager Jürgen Berger und den Leistungssachbearbeitern Georg Bartnik, Andrea Matthis und Bernadette Eggelnpöhler vier Mitarbeiter des Rietberger Sozialamtes mit dem Arbeitslosengeld II beschäftigt. Die Abteilung wird aber in Kürze aufgestockt, in den kommenden Wochen sollen ein bis zwei weitere Fallmanager und ein weiterer Leistungssachbearbeiter hinzu kommen, die Stellen sind intern ausgeschrieben. Nach Renovierungsarbeiten sollen die zwei bis drei Fallmanager dann ihre neuen Büros im Jugendhaus Südtorschule beziehen.
»Für die ehemaligen Sozialhilfeempfänger ändert sich gar nicht so viel, die meisten sind durch Hartz IV sogar besser gestellt als vorher«, sagt Stefan Schulte. Allerdings müssten die ehemaligen Sozialhilfeempfänger jetzt lernen, mehr mit ihrem Geld zu wirtschaften, da die Beihilfen, die früher bei anstehenden Renovierungen, beim Kauf von Haushaltsgeräten oder Kleidung extra gewährt wurde, nun als Pauschale ausgezahlt wird.
Schärferer Wind weht aber teilweise denjenigen entgegen, die zuletzt noch Arbeitslosenhilfe bezogen. Sie müssen seit neuestem beispielsweise auch ihr Vermögen und die Größe und Kosten ihrer Wohnung offen legen. Auch in Rietberg gingen Bescheide an einige Leistungsempfänger heraus, die sich nun günstigere Wohnungen suchen müssen, wenn sie weiterhin den vollen Leistungsumfang des Arbeitslosengeldes II erhalten möchten. Wieviele Anträge auf das Arbeitslosengeld II in Rietberg abgelehnt wurden, kann Sozialamtsleiter Stefan Schulte indes nicht genau beziffern, da es derzeit noch an einem Computerprogramm fehlt, mit dem man derartige Statistiken erstellen kann. »Grob geschätzt würde ich aber sagen, dass ungefähr zehn Prozent der Anträge abgelehnt wurden«, meint er.
Anders als in anderen Städten übrigens schickte das Rietberger Sozialamt die Fragebögen nicht kommentarlos mit der Post. »Wir haben schon geahnt, dass nur ein Bruchteil der Leute mit dem Ausfüllen zurecht kommen würde. Daher haben wir die Betroffenen lieber gleich zu uns ins Büro eingeladen und haben die Anträge mit ihnen gemeinsam ausgefüllt«, schildert Schulte.
Auch die ersten »Ein-Euro-Jobs« gibt es in Rietberg bereits seit Dezember, wobei Schulte den Begriff an sich nicht mag: »Er ist missverständlich, weil es so klingt, als müssten die Leute für den Hungerlohn von einem Euro arbeiten. Das ist so aber nicht richtig, denn sie erbringen ja eine Gegenleistung für die vom Staat erbrachte Geldleistung und bekommen zusätzlich dazu noch einen Euro pro Stunde.« Im Dezember gingen in der Emsstadt die ersten 20 Leistungsempfänger an die Arbeit. Unter der Anleitung eines Tischlermeisters renovierten sie die Weihnachtsmarktbuden. »Wir werden auch weiter versuchen, vorrangig junge Leute in Ein-Euro-Jobs zu bringen, und zwar in solche Jobs, in denen sie auch wirklich etwas lernen, was von praktischem Nutzwert ist«, betont Schulte.

Artikel vom 14.01.2005