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»Betriebskosten 15 Prozent höher«

Spediteure ziehen zwei Wochen nach Einführung der Lkw-Maut Zwischenbilanz

Von Astrid Pinske
Löhne (LZ). »Die Firma Toll Collect von 2004 ist mit dem Trümmerhaufen von 2003 nicht mehr zu vergleichen!« - da ist sich die Mehrheit der Löhner Spediteure einig. Zwar gäbe es immer noch einige Schwierigkeiten, insbesondere bei der kurzfristigen Bereitstellung der On-Board-Unit (OBU) genannten Messgeräte und bei Entfernungs-Abmessungen. Doch generell gehen die Werrestädter Transportprofis 14 Tage nach Start der Lkw-Maut davon aus: »Das System funktioniert.«

»Wir hatten eigentlich an den ersten Tagen - gerade an den Mautstellen - das Chaos erwartet«, begrüßt Frank Thies, Geschäftsführer der Spedition Wilfried Thies GmbH & Co. KG, die neue Entwicklung. 20 der 22 Lkw der Spedition sind bereits mit OBUs ausgerüstet. »Aber für zwei Neufahrzeuge warte ich bereits seit sechs Wochen auf die Bereitstellung der Geräte.«
Ein Problem, das auch Horst Kottmeyer jun. kennt. Etwa 90 der mehr als 100 Lkw der Spedition Kottmeyer fallen unter die Mautpflicht, die für Fahrzeuge ab zwölf Tonnen Gewicht greift. »Im täglichen Speditionseinsatz geht es ohne OBUs nicht. Unsere Disposition setzt sich oft 50 Mal am Tag mit den Fahrern in Verbindung, um Fahrten umzuorganisieren. Wenn die dann jedes Mal an einen Mautautomaten müssten, um die Strecke umzubuchen...«
Die Firma Kottmeyer gehört zu den wenigen Unternehmen, die schon im vergangenen Jahr mit zwei Lkw an der offiziellen Testphase teil nahmen; bundesweit waren dabei 41 Fahrzeuge im Auftrag von Toll Collect und Bundesverkehrsministerium im Einsatz.»Informationsfluss, Offenheit und Betreuung sind seit 2003 erheblich verbessert worden«, lobt Kottmeyer. Und auch die sieben Cent Maut, die Toll Collect während der Probephase dem Unternehmen noch für jede Nutzung des firmeneigenen Privatweges in Gohfeld berechnete (die Löhner Zeitung berichtete im Oktober 2003), schlägt mittlerweile nicht mehr zu Buche.
Ein gravierender Umschwung im Service-Denken, den auch Klaus Jording, Geschäftsführer der Firma Kemena GmbH begrüßt. Die Spedition, mit mehr als 50 mautpflichtigen Lkw im Einsatz, profitierte ebenfalls von den intensiven Schulungen, die der Mautbetreiber im vergangenen Jahr anbot.
Auffällig sei allerdings, da können fast alle Speditionen Beispiele nennen, dass die tatsächlich zurückgelegte Kilometerzahl von der berechneten bisweilen abweiche. »Auf Probetouren haben wir zum Teil Differenzen von 15 bis 20 Kilometern festgestellt«, berichtet Klaus Jording. Eine Erfahrung, die auch die Spedition Kottmeyer gemacht hat. So habe das Maut-System für exakt dieselbe Strecke zu einem Kunden bei Borchen auf der Hinfahrt für die zurückgelegten 81 Kilometer 9,52 Euro berechnet, für die Rückfahrt allerdings nur 8,72 Euro. Ein Fall von Mengenrabatt?
»Unser Verwaltungsaufwand wird enorm steigen, wenn wir die zurückgelegten Strecken und die berechneten Autobahnkilometer wirklich gewissenhaft überprüfen wollen«, befürchtet Frank Thies.
Bislang haben die meisten Kunden Verständnis dafür gezeigt, dass die Mautkosten, die rund zehn bis 15 Prozent der Betriebskosten ausmachen, auf die Preise aufgeschlagen werden müssen. Dennoch rechnen Jording, Kottmeyer und Thies mit einer Marktbereinigung. »Es wird in den nächsten Monaten in der Branche ein Sterben geben. Kleinstbetriebe werden gezwungen sein aufzugeben und größere Unternehmen ihre Flotten reduzieren«, schätzt Kottmeyer. Schon jetzt müssen die Speditionen dem Mautbetreiber ihre Bilanzen vorlegen, um ihre Zahlungsfähigkeit zu belegen. »Wir müssen 90 000 Euro im Monat als Sicherheit hinterlegen«, beschreibt einer der Spediteure seine Unternehmenssituation.
Ein Ausweichen auf die Bundesstraßen kommt aufgrund des Termindrucks, unter dem die Transportfirmen stehen, kaum in Frage. Er gehe dennoch davon aus, dass in den kommenden zwei Jahren auch mit einer Lkw-Maut für Bundesstraßen zu rechnen sei, meint Frank Thies.
Daher erwarten die Löhner Unternehmer nun wirkliche Chancengleichheit und damit auch strenge Kontrollen und Strafen gegenüber potentiellen »Mautsündern« durch den Staat. »Wir möchten nicht nur Steuereintreiber sein, wir möchten im internationalen Vergleich auch steuerlich gleich gestellt werden«, so der allgemeine Tenor.

Artikel vom 14.01.2005