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Eine Klarinette verzaubert Siemshof

Gefeiertes Konzert von Oscar-Preisträger Giora Feidman und Matthias Eisenberg

Von Wilhelm Friedemann (Text )
und Silke Schade (Fotos)
Löhne-Mennighüffen (LZ). »Ich spielÕ hier nur die Klarinette«, sagt Giora Feidman bescheiden über seine Kunst. Doch er tut viel mehr, als nur ein Instrument zu beherrschen. Er lacht, weint und singt in seinem Klarinettenspiel. Zusammen mit dem Orgelvirtuosen Matthias Eisenberg gastierte der weltweit gefeierte Oscar-Preisträger am Donnerstag in der Siemshofer Heilandkirche und begeisterte 400 Zuhörer.
Im Organisten Matthias Eisenberg hat Giora Feidman einen kongenialen Partner gefunden.

»Prayer« heißt die Meditation, mit der Feidman sein Programm begann. Während er in einem atemberaubenden pianissimo Eigenkomposition spielte, schritt er langsam durch das Kirchenschiff, blieb stehen, suchte Blickkontakt zum Publikum und erreichte allmählich die Orgelempore, wo Matthias Eisenberg sich mit dem Andante con variazioni von Felix Mendelssohn-Bartholdy vorstellte.
Dies war der Auftakt für eine unnachahmliche 70-minütige Collage von unterschiedlichster Musik. Ohne Pausen gingen die gespielten Werke ineinander über, zum Teil unmerklich fließend, manchmal sehr abrupt und kontrastreich. Mit den tiefsten Tönen der Bassklarinette begann »In the self«, eine Komposition der israelischen Malerin, Dichterin und Komponistin Ora Bat Chaim, deren Musik Giora Feidman als ein Symbol der Verständigung ansieht.
Franz Schuberts Ave Maria stellte Feidman dem Publikum zunächst solistisch auf der Klarinette vor, wobei seine unvergleichliche Art des pianissimo-Spiels das Publikum in ihren Bann zog. Nach einem Orgelzwischenspiel erklang das Ave Maria eine Oktave höher und wirkte noch himmlischer emporgehoben als beim ersten Vortrag.
Im »Shalom Chaverim« lud Feidman das Publikum ein, mit ihm zusammen um Frieden zu bitten. Er spielte und sang das Lied vor, und das Löhner Publikum sang mit. Mitten hinein spielten Feidman und Eisenberg plötzlich Scott Joplins »The Entertainer«. Mit viel Improvisationskunst versahen die beiden Musiker die Ragtimekomposition. Ehe man sich versah, befand man sich im C-Dur-Präludium von Johann Sebastian Bach, das von Matthias Eisenberg virtuos und unprätentiös vorgetragen wurde.
Zunächst glaubte man tatsächlich, in Bachs Siciliano aus der Flötensonate BWV 1031 eine Flöte zu hören, so fein und gefühlvoll gelang Feidman die Tongestaltung auf seinem Instrument. Im Spiritual »Noboby sees the trouble IÕve seen« benutzte Matthias Eisenberg zur Begleitung tiefe Register kombiniert mit Zungen, was an den Klang einer elektronischen Orgel erinnerte. Giora Feidman improvisierte dazu auf der Bassklarinette.
Schnell und tänzerisch dagegen Sigi Elmans »The angles sing«, in dessen Schlusston hinein Eisenberg Bachs berühmte Toccata und Fuge in d-Moll BWV 565 beginnen ließ. Die äußerst schnellen Tempi, die der Dresdner Organist wählte, verfehlten ihre virtuose Wirkung nicht, klangen aber manchmal etwas zu gehetzt.
Nach einer Klarinettenimprovisation über einen vom Publikum gesungenen Ton, gab es mit Bachs »Jesus bleibet meine Freude« einen weiteren Höhepunkt. Im abschließenden »Rabbi mentonyu« von Samuel Bugatsch erlebte das Publikum das wunderbare Klezmer-Spiel Feidmans. Zum typischen Lachen der Klarinette stampfte Feidman den Takt mit dem Fuß und das Publikum klatschte dazu.
Viel Applaus für zwei großartige Künstler entlockten diesen mehrere Zugaben. Darunter der zweite Satz aus Mozarts Klarinettenkonzert, unter Mitwirkung des Publikums »Dona, Dona, Dona« und ein deutsch-israelisches Nationalhymnen-Potpourri, das, so der überzeugte Pazifist Feidman in seiner Ansprache an das Publikum, zur Völkerverständigung beitragen kann.

Artikel vom 15.01.2005