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Show-Bühne
unter luftigem
Zirkus-Zeltdach

Theater, Musik und Party bietet das Paderborner »Apollo« unter dem Dach eines Zirkuszeltes.

»Apollo«-Theater feierte Premiere

Von Manfred Stienecke
(Text und Fotos)
Paderborn (WV). Mit dem »Apollo-Theater« verfügt Paderborn seit Mittwoch über eine weitere Show- und Kleinkunstbühne - allerdings nur temporär und unter luftigem Zeltdach.

Zum Auftakt gab es dafür gleich »Shakespeares sämtliche Werke - leicht gekürzt« allerdings. Die turbulent-kurzweilige Komödie des britischen Autoren-Trios Long/Silver/Winfield schaffte es dann auch, das fröstelnde Premierenpublikum im Zirkuszelt auf dem Autohof-Gelände in Mönkeloh halbwegs aufzuwärmen.
Paderborns »Zeltsommer« lässt grüßen. Die Idee der heimischen Kulturinitiative, ein sommerliches Kleinkunstfestival im Zirkuszelt auf die Beine zu stellen, ermutigte jetzt auch das ehemalige »Capitol«-Veranstaltungsteam zu einem derartigen Experiment. »Wir haben zunächst einmal einen Versuchsballon gestartet«, zeigte sich »Apollo«-Mitgeschäftsführer Frank Sitter mit dem Auftakt zufrieden. Rund 150 Besucher sorgten bei der Premiere für einen stimmigen Rahmen und eine finanziell tragende Abendbilanz.
Immerhin ist der Aufwand nicht unerheblich: Das zwölf Meter hohe Zelt, das bei Verzicht auf eine Betischung bis zu 600 Besucher fasst, ist von einem Soester Zirkusunternehmen geliehen und wird jeweils nur für einige Tage aufgebaut. Nach dem Eröffnungsprogramm, das bis zum Sonntag insgesamt fünf Veranstaltungen - darunter heute Abend ein Abba-Revival-Konzert und am Sonntag Nachmittag eine Kinderdisco - bündelt, rücken die Handlanger wieder zum Abbau an.
Die nächste Programmstaffel ist erst wieder im März vorgesehen. »Der Februar ist erfahrungsgemäß der kälteste Monat, den sparen wir aus«, so Sitter. Im Zelt gibt es kalte Getränke und warme Speisen, zum »Örtchen« muss man nach draußen einen Toilettenwagen aufsuchen. Dafür stehen Parkplätze satt auf dem weiträumigen Gelände an der Autobahnzufahrt zur Verfügung.
Für Theaterzwecke ist das Zelt freilich - zumindest in den Wintermonaten - nur bedingt geeignet. Während draußen Windböen am Zelttuch reißen und kalte Zugluft durch die Ritzen fährt, schnauft drinnen das Heizungsgebläse. Auch die Sicht auf die Bühne ist nicht von allen Plätzen aus optimal - mächtige metallene Stützpfeiler schränken die Perspektive ein.
Da machte es Sinn, mit der pfiffigen »Shakespeare«-Aufführung des Hagener Theaters eine improvisierte Wanderbühnen-Inszenierung ins Zelt zu holen. Die drei jungen Akteure - Marc Baron, Dominik Hahn und Sabin Tambrea - kasperten sich gut eineinhalb Stunden lang durch sämtliche 37 Shakespeare-Stücke. Mit geübtem Improvisationstalent und beachtlicher Wandlungsfähigkeit lieferte das kreuzfidele Trio einen intelligenten Kurzdurchlauf.
Blitzschnelle Kostüm- und Perückenwechsel sowie eine Fülle skurriler Requisiten halfen dabei, die jeweiligen Schlüsselszenen aus »Romeo und Julia« und »Macbeth«, aus »Julius Cäsar« und »Titus Andronicus« köstlich auf die Bühne zu bringen. Die 16 Komödien des englischen Dramatikers wurden gleich in einer einzigen Nummer unter karnevalistischer Narrenkappe abgehandelt, die Königsdramen funktionierten als TV-Reportage über ein eisenhart geführtes Fußball-Match, und den »Othello« lieferten die Darsteller als sauber choreografierten Rap ab.
Theater »am Stück« gab es aber auch noch - dem »Hamlet« widmete die Truppe nach der Pause immerhin den gesamten zweiten Teil des Abends. Doch auch hier rieb sich mancher Theatergast verwundert die Augen: Das Drama um den Dänenprinzen rollte doch glatt rückwärts ab!
Viel Beifall für die erfrischend kurzweilige Aufführung.

Artikel vom 14.01.2005