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Schluchzer und
Jauchzer zugleich

Giora Feidman bediente Klarinette virtuos

Von Andrea Auffenberg
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Als Giora Feidman auf seiner Klarinette in meisterlichem Pianissimo ein »Prayer« anstimmte und dabei durch den Mittelgang der berstend vollen Abdinghofkirche wandelte, entstand im Auditorium eine andächtige Stille, die jedes Hüsteln unterband.

Der weltberühmte Klarinettenvirtuose begeisterte zusammen mit dem gebürtigen Dresdner Organisten Matthias Eisenberg mit einer knapp 90-minütigen musikalischen Begegnung unter dem Motto »From Classic to Klezmer«. Dabei verschwand er jedoch leider nahezu gänzlich hinter den beiden wuchtigen Tannenbäumen rechts und links des Altars, so dass er für den Großteil der Konzertbesucher unsichtbar blieb.
In seiner unnachahmlichen Art ließ der Grandseigneur des Klezmer zur sanften Orgelbegleitung bei Ora Bat Chaims »In the self« seine Bassklarinette tief seufzen oder hoch klagen, immer wieder nahm Organist Eisenberg mit entsprechenden Registrierungen auf der perfekt beherrschten Abdinghof-Orgel die melodischen Linien des Klarinettisten auf und bereitete durch rhythmische Wechsel weitere Melodieführungen vor.
Dabei entstand ein faszinierendes musikalisches Zwiegespräch, bei dem der charismatische Weltstar höchste Töne in klarsten Linien vibrieren lassen konnte, virtuose Auf- und Abwärtsläufe zelebrierte, mit seinem Instrument schluchzte, schimpfte oder jauchzte und sogar Franz Schuberts »Ave Maria« seinen traurig-schönen Klezmer-Stempel aufdrückte. Dabei wurde der Vortrag nie unterbrochen, Orgelklänge eines vorangegangenen Stückes verschmolzen in Folge mit hauchzart intonierten Klarinettenweisen oder umgekehrt.
Wiederholt forderte Feidman das Publikum zum Mitsingen auf: die gerade noch beim zaghaft gesungenen »Shalom Chaverim« entstandene Melancholie wurde schlagartig durch Scott Joplins »Entertainer« außer Kraft gesetzt, jazzige Orgelsequenzen gingen über in ein voluminöses Tutti, das in Bachs »Praeludium C-Dur« mit anschließendem »Siciliano g-Moll« mündete, wobei wieder die Klarinette die Führung übernahm.
Und so ging es ununterbrochen weiter über Sigi Elmans »The angels sing«, Bachs virtuos gespielter »Toccata con fuga in d für Orgel« über das hingebungsvoll interpretierte »Jesus bleibet meine Freude« bis hin zu »Rabbi montenyu«, wobei beide Künstler den ins Publikum übergehenden Rhythmus ekstatisch stampfend steigerten und die Instrumente nahezu orchesterhaft miteinander verschmolzen.
Lang anhaltenden stehenden Ovationen des begeisterten Publikums folgten als Zugabe noch das berühmte »Adagio« aus Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur sowie das »Dona, Dona«, beides zum Mitsummen.

Artikel vom 14.01.2005