14.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Eine Tasse Kaffee mit . . .

Lotte Barkmann

Harsewinkel (jaf). Fast so nervös wie an ihrem ersten Arbeitstag vor gut 40 Jahren war Lotte Barkmann gestern. Etliche Empfänge hat sie als Chefsekretärin für die Harsewinkeler Stadtoberhäupter organisiert. Gestern Nachmittag stand die sympathische 60-Jährige während ihrer Verabschiedung in den Ruhestand selbst im Mittelpunkt. Und das war der Power-Frau, die sonst nichts so leicht »umhaut«, eben nicht so ganz geheuer. Vormittags plauderte Lotte Barkmann bei einer Tasse Kaffee mit WESTFALEN-BLATT-Redakteurin Judith Frerick über die vergangenen 40 Jahre (»Arbeit war mein Leben«) und ihre Zukunft (»Ich möchte mich politisch engagieren«).

»Ich bin kein Kind von Traurigkeit«. Dieses Lied dudelt aus dem Radio, während es sich Lotte Barkmann in ihrer schmucken Wohnung auf dem Sofa gemütlich macht. Und irgendwie passt das zu ihr. Mit viel Humor, Gelassenheit und Ausdauer hat sie stets alle Aufgaben im Rathaus gemeistert. Wenn die 60-Jährige jedoch an ihren Abschied denkt, wird sie ein wenig wehmütig. »Nach all den Jahren - das ist schon hart, das tut schon ein bisschen weh«, gesteht die Harsewinkelerin offen und ehrlich. Von »100« auf »0« - daran muss sich die langjährige Chefsekretärin, die fünf Stadtoberhäupter hat kommen und gehen sehen, erst noch gewöhnen.
Doch so ganz bei »0« landen wird sie wohl kaum. Schließlich hat Lotte Barkmann noch einiges vor. Durch ihre Arbeit hat sie Politik hautnah mitbekommen, mitgemischt hat sie jedoch nicht. Dass soll sich nun ändern. »Ich möchte mich engagieren und werde einer Partei beitreten. Welche das ist, verrate ich aber noch nicht«, so Barkmann, die Spaß an der Politik gefunden hat. Schließlich hat sie die jeweiligen Stadtoberhäupter auch stets beraten. »Stadtdirektor Friedrich Zempel kam von außerhalb. Er kannte hier niemanden. Und so haben wir uns stets ausgetauscht«, erinnert sich Lotte Barkmann, die sich im Laufe der Jahre an viele Chefs und Charaktere gewöhnen musste: Mit zarten 18 Jahren hatte sie nach der Handelsschule in Amtsdirektor August Haverkamp einen guten Lehrmeister. »Ich war aber noch zu jung, um als Chefsekretärin zu arbeiten. Jedes Mal, wenn die Tür aufging, habe ich einen roten Kopf bekommen.« Damals habe sie einfach noch nicht die innere Stärke und Gelassenheit von heute besessen.
Nach Haverkamp folgten Bernhard Kemner, Christoph Austermann, Friedrich Zempel und zuletzt Reinhard Haase - alles ganz unterschiedliche »Typen«. Und mit allen hat die 60-Jährige eine Probezeit vereinbart. »In solch einer Position ist es doch wichtig, dass die Chemie stimmt. Man muss schon die Gedankengänge des anderen kennen. Da muss Vertrauen sein«, so die Harsewinkelerin. Langeweile kam dabei jedenfalls nie auf: »Meine Arbeit war so interessant, ich bin jeden Morgen gerne ins Rathaus gekommen und war immer mit Leib und Seele dabei.« Kein Wunder, hat sie dort auch etliche Promis getroffen - Michail Gorbatschow etwa oder Johannes Rau. An Letzteren erinnert sich Lotte Barkmann noch genau: »Er hat viele Sicherheitskräfte mitgebracht. Das war ein Wirbel. Alle wurden abgeklopft. Und als ich nur mal kurz etwas kopieren musste, wurde ich gleich von zwei Bodyguards begleitet.«
Trotz all dieser ungewöhnlichen Begegnungen und ihrer Liebe zur Arbeit, sollte gestern Schluss sein. Sich noch einmal auf einen neuen Chef einstellen - das wollte Lotte Barkmann nicht. »Außerdem haben Sabine Amsbeck-Dopheide und meine Nachfolgerin Anette Rinklake jetzt die Chance, einen neuen Arbeitsstil zu pflegen«, ist sich Lotte Barkmann sicher.
Jetzt nach dem endgültigen Schlussstrich wird sich die Power-Frau anderen Dingen widmen. »Es wird mir bestimmt gelingen, Schönes und Zufriedenstellendes zu finden. An Ideen hat es mir nie gemangelt«, ist die 60-Jährige zuversichtlich. Zusammen mit ihrem Freund Peter wird sie ganz viel Sport treiben - schwimmen, joggen und wandern. Außerdem möchte die agile Harsewinkelerin wieder mehr reisen (»Dafür blieb in den letzten Jahren keine Zeit«). Und dann war da ja auch noch die Sache mit der Politik . . .

Artikel vom 14.01.2005