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Mit Spaß wieder erinnern

Demenzkranke und Angehörige im »Café Hilde«

Von Thomas Hochstätter
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Es herrscht eine ausgelassene Stimmung in Raum 23 des Oeyn-Hauses an der Tannenbergstraße. Auf dem Tisch stehen Krapfen, SchokoladenCroissants und Heidesand. Zu Kaffee und Kuchen wird Gitarre gespielt. Hilfe für Demenzkranke stellt man sich anders vor. Aber warum eigentlich?

Eine alte Dame schmettert zum Gitarrenklang den Text zu »Im Frühtau zu Berge«, dabei macht sie die Gesten einer Dirigentin. Ihr gegenüber sitzt ein alter Herr, der den Takt mit seinem Gehstock mitstampft. Sie haben SpaßÊ- zumindest zwei Stunden lang an diesem Morgen. Denn die Krankheit, die sie haben, ist alles andere als Spaß: Demenz bezeichnet eine dauernde Geistesschwäche, die auf organischen Hirnschädigungen beruht. Kinder erleben ihre alten Eltern als wunderlich. Jeder Tag ist ein belastender Kampf um Erinnerung. Betroffene gibt es immer mehr, weil die Menschen immer älter werden.
Jährlich 300 Ratsuchende melden sich beim Projekt »Hilde - Hilfen bei Demenz«. Das »Café Hilde«, jeden ersten Dienstag von 10 bis 12 Uhr im Monat im Oeyn-Haus, ist dagegen noch neu und wenig bekannt. Beim Januartreffen war es eine elfköpfige Runde. Weitere Interessenten sind willkommen.
Berührungsängste sind nicht angebracht. Denn die Hilde-Mitarbeiterinnen Ursel Schellenberg und Katja Roßmäßler machen den Einstieg leicht. Beim jüngsten Treffen spielten sie mit den Gästen nicht nur Gitarre, sondern auch »Vertellekes«. Das ist ein Frage- und Antwortspiel speziell für ältere Menschen. Dabei muss man sich an Sprichwörter erinnern, Gedichte vollenden oder Handgriffe des täglichen Lebens vormachen: einen Faden einfädeln etwa oder eine Kuchenform einpinseln. Die Demenzkranken fühlen sich besser, weil ihnen etwas gelingt - und die Angehörigen erfahren Entlastung. Denn zur Runde im »Café Hilde« gehören auch Informationen über Hilfsansprüche. »Von den Krankenkassen erfährt man das so einfach nicht«, lobt ein Mann, der mit seiner Mutter da ist. Aufs Foto will er nicht. Denn Demenz ist noch ein Tabuthema. Deshalb ist der Kontakt zum Hilfsprojekt unter 018 04 /45 33 00 anonym möglich.
www.hilfen-bei-demenz.de

Artikel vom 14.01.2005