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Mehr Selbstständigkeit macht Schule

Start der integrierten Eingangsstufe ist an der Oesterweger Grundschule geglückt

Von Stefanie Hennigs
Versmold-Oesterweg (WB). Eine Klasse, in der jedes Kind etwas anderes macht? Eine Schule, in der die Kinder sich gegenseitig helfen und nicht mit jeder Frage gleich zum Lehrer laufen? Wer noch durch die »alte Schule« gegangen ist, mag angesichts dieser Vorstellung ungläubig den Kopf schütteln. Nach fast einem Halbjahr »Integrierte Eingangsstufe« kann das Kollegium der Grundschule Oesterweg/Hesselteich dagegen kräftig mit dem Kopf nicken: Die Eingangsstufe ist ein Erfolgskonzept.

Daniel (8) übt Diktatwörter, sein Tischnachbar Chris (6) hat »Purzelwörter« vor sich, die er in die richtige Reihenfolge bringen muss. Aus »Selin« wird »Insel« -ĂŠkein Problem! »Ist das richtig geschrieben?«, fragt Chris. Daniel wirft einen Blick auf die Bleistiftschrift und nickt. »Mhmh - komm, das unterschreibe ich dir gerade.«
Die Kinder zu mehr Selbstständigkeit führen ist eines der Ziele des Kollegiums. »Wir liefern das Material, die Kinder können selbstständig arbeiten. Das klappt auch bei den Kleinen schon toll«, sagt Klassenlehrerin Sabine Petermann.
Anfang der Woche bekommen die Kinder eine Liste, welche Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben anstehen. Was im Schulunterricht erledigt wird, hakt ein anderes Kind ab. »Die Kinder sind stolz, wenn sie sich gegenseitig helfen können.« Natürlich bleibt es nicht bei der gegenseitigen Kontrolle der Kinder: Sabine Petermann und ihre Kolleginnen haben regelmäßig einen Blick auf die Aufgaben und dafür, was die Kinder schon können oder wo es noch Defizite gibt.
Die Kinder haben oft die Wahl zwischen leichten und schweren Aufgaben. Zum Beispiel beim Rechnen: »Die kleineren arbeiten mit Zahlen unter zehn, die größeren im Rahmen bis 100«, erklärt Schulleiter Dirk Kurhofer. Dabei können sich aber auch die Kleineren schon an den schwereren Aufgaben versuchen - und umgekehrt die Älteren auch leichtere Aufgaben wählen. »Wir reagieren flexibel auf das, was die Kinder schon können.« Sonst wären alle Kinder im Buch auf Seite 25 - einige würden sich langweilen, weil sie es schon können, andere würden nicht mitkommen. »Die Kinder können frei arbeiten. Dadurch ist auch der Wille da!« Die Kinder, ergänzt Sabine Petermann, merken von sich aus: »Das ist mir zu leicht!« und suchen sich eines der beiden Arbeitsblätter aus. »Da müssen wir immer eine ganze Menge in petto haben.«
So wie an diesem Tag: Ein Teil der Sams-Klasse arbeitet konzentriert an den Wochenaufgaben. Die Leseanfänger gehen in den Nebenraum: Schließlich wird es beim Lesen etwas lauter. »Zwei Inseln im See« - Wortfolgen wie diese bekommen die Kinder schon prima auf die Reihe. »Man hat auf diese Weise nur die Hälfte der Kinder. Wenn etwas Neues ansteht, kann man sich viel intensiver um den Einzelnen kümmern.«
Egal, wie lange die Kinder in der Eingangsstufe bleiben: »Irgendwann erlebt jedes Kind einmal, dass es zu den Besseren gehört«, sagt Dirk Kurhofer. Das sei für die Entwicklung gerade der Kinder mit Problemen ganz entscheidend: »Sie können daraus vielleicht neue Motivation schöpfen. Für die Kinder ist die integrierte Eingangsstufe eine Chance.«

Artikel vom 11.01.2005