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Christian Rasch ist Pfarrer der Kirchengemeinde Herringhausen.

Gedanken zum Sonntag

Von Pfarrer Christian Rasch


»O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!« - Vielen Zeitgenossen ist dieser weihnachtliche Ruf in den letzten Tagen im Halse stecken geblieben. Zu schrecklich sind die Bilder, die uns seit dem zweiten Weihnachtstag vor Augen stehen. Täglich werden die Opfer der Naturkatastrophe in Südostasien nach oben korrigiert. Neben der Anteilnahme, die wir in Europa von ferne leisten können und in vielen Spendenaktionen auch schon geleistet haben, gewinnt der Schrecken auch bei den mehr als 1000 betroffenen Deutschen in unserem Land eine persönliche Gestalt.
Viele Menschen fragen sich: Wie konnte das passieren? Und ebenso viele fragen: Wie konnte Gott das zulassen? Aus dem beseligenden Weihnachtsgefühl wird eine Frage, die die Existenz des eigenen Glaubens bedroht.
Kann man angesichts eines solchen Elends noch an einen gnädigen Gott glauben?
Man kann! Gerade weil diesmal ausnahmsweise nicht der Mensch die Katastrophe herbeigeführt hat, wird uns deutlich: Trotz Technik, Wissen und Fortschritt haben wir unser Leben nicht selbst in der Hand. »Mutter Erde« entzieht sich unserer Kontrolle. Wir sind, wenn wir aufrecht leben und in Frieden sterben wollen, auf Hilfe von »außen« angewiesen. Weihnachten heißt, diese Hilfe kommt von außen in die Welt hinein. Gott nimmt eine menschliche, zugewandte Gestalt an. Und er leidet damit an der Seite der Armen, Entrechteten und aller Opfer von Gewalt. Er musste es durch den Kreuzestod am eigenen Leib erfahren. Die Welt ist Gott nicht egal.
Seit diesem Weihnachtsfest höre ich persönlich das Lied »O du fröhliche« auf einmal so, wie ich es noch nie gehört habe. Dort steht es eigentlich recht deutlich, warum überhaupt Anlass zur Weihnachtsfreude besteht: »Welt ging verloren, Christ ward geboren!«
Es ist tragisch, dass gerade eine solche Katastrophe uns modernen Menschen den Sinn von Weihnachten wieder vor Augen führt. Wir haben unseren Glauben ja nur aus dem Grund, dass die Welt verloren ist. Und daran wird auch keine noch so moderne Technik etwas ändern. Unser Trost aber ist, dass Gott durch Jesus die Verlorenen findet. Darum heißt es zu recht: »Freue dich, o Christenheit«.

Artikel vom 08.01.2005