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Großer Hai oder
kleiner Fisch?
Urteil vertagt

Prozess gegen mutmaßlichen Dealer

Gütersloh/Rietberg (mobl). »Großer Hai« oder »kleiner Fisch«? Diese Frage sollte gestern eigentlich das Gütersloher Amtsgericht im Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogendealer aus Neuenkirchen klären. Der Prozess jedoch musste nach drei Stunden vertagt werden, da ohne weitere Zeugenaussagen nicht geklärt werden konnte, ob der Angeklagte in großem Stil mit Marihuana gedealt oder nur gelegentlich ein paar »Dienstbotengänge« für einen Kumpel übernommen hatte.

Der 26-jährigen Fatmir L. war von der Staatsanwaltschaft des Drogenhandels bezichtigt worden, laut Anklageschrift soll der Neuenkirchener im Jahr 2001 rund 3,5 Kilogramm Marihuana an seine Kunden weiterverkauft haben. Der Angeklagte indes schilderte den Sachverhalt anders. Er habe mehrere tausend Mark Schulden bei seinem Kumpel Vassilios P. gehabt und nicht gewusst, wie er das Geld zurück zahlen solle. P. habe ihm daraufhin angeboten, das Geld abzuarbeiten und seine neue Wohnung zu renovieren. Das Angebot nahm der Angeklagte an, verlegte PVC-Fußboden, strich Wände und übernahm viele weitere Aufgaben. Das aber habe P. nicht ausgereicht, schließlich habe sein Freund ihn gebeten, gelegentlich kleine abgepackte Päckchen mit Drogen an im Auto an der Gütersloher Stadthalle wartende Kunden zu liefern. »Übergib ihnen das, die wissen dann Bescheid«, so habe der Auftrag von P. gelautet. »Ich weiß selbst nicht, warum ich mich darauf einließ. Nach vier oder fünf Tagen habe ich Vassilios dann mitgeteilt, dass ich das nicht mehr mache«, sagte Fatmir L. vor Gericht aus, »ich habe mit der Drogenszene nichts zu tun, ich hatte auch keine eigenen Abnehmer, sondern habe den Kunden von Vassilios lediglich die abgepackten Päckchen überbracht.«
In der Zeugenaussage von Vassilios P. klang die Schilderung dann vollkommen anders. L. habe keine Schulden bei ihm gehabt, vielmehr habe er sich durch die Hilfe beim Renovieren bei ihm einschmeicheln wollen. »Er wollte bei mir Pluspunkte sammeln, weil er in die Szene reinwollte«, sagte P. Da er selbst zu diesem Zeitpunkt wenig Zeit gehabt habe, habe er Fatmir L. seinen Kundenkreis überlassen, aber Provisionen kassiert. »Einmal hat Fatmir die ganze Lieferung aus Holland erhalten, das waren bestimmt 1,5 Kilo, die ihm am Sportplatz in Varensell übergeben wurden. Wir haben zwei oder drei Monate so zusammengearbeitet, er machte aber bei den Provisionszahlungen Schwierigkeiten, weil er spielsüchtig war. Irgendwann hatte er fast 5000 Mark Schulden bei mir, von da an habe ich nicht mehr mit ihm zusammen gearbeitet«, sagte Vassilios P., der wegen Marihuanahandels bereits rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Die weiteren geladenen Zeugen konnten gestern kein weiteres Licht ins Dunkel bringen. »Es steht Aussage gegen Aussage«, stellte der vorsitzende Richter Edmund Rammert schließlich fest. Nun sollen weitere Zeugen gehört werden, die zum Kundenkreis von Vassilios P. gehört haben sollen. Sie sollen dazu befragt werden, wie oft sie die Drogen von Fatmir L. in Empfang nahmen. Die Verhandlung wird in Kürze fortgesetzt.

Artikel vom 08.01.2005