10.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Waschkörbe voll Briefe erhalten«

Buddy Elias erinnerte an die Franks

Von Andrea Pistorius
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Wie kann ein Mensch mit dem Wissen leben, dass seine Verwandten von den Nationalsozialisten in Konzentrationslagern umgebracht worden sind? Buddy Elias wählte die offensive Methode. Der Vetter der weltberühmten Tagebuchschreiberin Anne Frank berichtete gestern im Gymnasium St. Michael sehr persönlich und ohne Tabus über die Zeit des NS-Terrors und warb für Toleranz und Zivilcourage.

Der inzwischen 80-jährige Buddy Elias ist der letzte noch lebende, direkte Verwandte des jüdischen Mädchens, das sich in den Kriegsjahren in einem Amsterdamer Hinterhaus versteckte, verraten wurde und im KZ Bergen-Belsen starb; als Präsident des »Anne Frank Fonds« verwaltet er die Autorenrechte der Tagebuchschreiberin. »Ich erinnere mich noch gut und sehr gerne an meine Cousine«, erzählte Elias gestern, »sie war vier Jahre jünger als ich und ein fröhliches Kind mit einem Kopf voller Ideen. Sie legte Wert auf schöne Kleider und hatte eine erstaunliche Beobachtungsgabe«.
Die Familien Frank und Elias lebten in den Zwanziger Jahren in Frankfurt am Main und besuchten sich häufig gegenseitig. 1931 zogen die einen nach Basel in der Schweiz, die anderen wählten 1934 Amsterdam in Holland als neue Heimat. »Wir haben die Verbindung nie abreißen lassen und uns oft geschrieben«, aus den Briefen las Buddy Elias seinem Publikum in der Schulaula Passagen vor, die nachträglich durch das Wissen um das furchtbare Leiden der Familie Frank zu erschütternden Zeitdokumenten werden.
Die Tagebuchnotizen, so berichtete Elias weiter, hatte eine holländische Freundin wenige Tage nach der Deportation der Familie Frank in deren Versteck gefunden und ungelesen aufbewahrt - für den Fall, dass Anne zurückkehren sollte. Doch am Leben geblieben ist allein der Vater, Otto Frank. Der habe sich zunächst geweigert, die Aufzeichnungen zu veröffentlichen. Und Buddy Elias erinnert sich auch noch gut daran, dass weltweit zunächst kein Verlag daran Interesse zeigte. Nach seinem Umzug von Amsterdam nach Basel habe Otto Frank sich dann aber mit aller Kraft der Aufgabe gewidmet, das Vermächtnis der Tochter bekannt zu machen. »Er hat waschkörbeweise Briefe bekommen und alle beantwortet«.
»Wer hat die Franks verraten?«, wollte ein Zuhörer nach der Lesung wissen. Buddy Elias ist sich sicher, dass es ein holländischer Judenjäger war. Seine Überzeugung stützt er auf Recherchen der britischen Historikerin Carol Ann Lee, deren Otto-Frank-Biografie in diesem Jahr im deutschen Piper-Verlag erscheinen wird.

Artikel vom 10.01.2005