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Linkswalzer unter Kronleuchtern

Zwei Paderborner beim Wiener Opernball: »Ein einmaliges Erlebnis«

Von Andrea Pistorius (Text)
und Mario Berger (Foto)
Paderborn (WV). Wenn junge Damen elegante Abendkleider in Weiß tragen und die Herren im Frack erscheinen und strahlende Paare sich unter Kronleuchtern im Walzertakt drehen, dann kann die Rede nur vom Wiener Opernball sein. Viele träumen davon, einmal eingeladen zu werden. Stefanie Maycock und Marcus Rehwinkel aus Paderborn haben es geschafft: Am 3. Februar werden sie in der Staatsoper an der Donau tanzen.

»Ich freue mich unbeschreiblich auf dieses Fest, das in meinem Leben einmalig bleiben wird«, sagt der Student der Wirtschaftsingenieurwissenschaften, der mit seinen 24 Jahren gerade noch im Kreis der Debütanten Aufnahme gefunden hat; älter dürfen die Kandidaten nicht sein und auch nicht jünger als 17. Die Regeln des Komitees, das die berühmte Eröffnungszeremonie mit dem Einzug der 160 Debütanten-Paare vorbereitet, sind streng. Deshalb hat sich Stefanie Maycock, ebenfalls 24 Jahre alt, auch rechtzeitig um ein weißes Ballkleid und lange, weiße Handschuhe gekümmert; beides konnte sie in einem Spezialgeschäft in ihrem Heimatort Schloß Neuhaus ausleihen und ist dankbar für einen Freundschaftspreis: 130 Euro zahlt sie für die einwöchige Nutzung der Festgarderobe inklusive Reinigung und kleiner Änderungen. »Glück gehabt«, sagt sie, während Marcus Rehwinkel noch nach einem passenden Anzug mit Frack sucht. Schwarze Lackschuhe braucht er auch noch.
Die Idee, sich für den Opernball anzumelden, ist Stefanie Maycock während eines Kurzbesuchs in Wien gekommen. »Als ich die Staatsoper besichtigte, da habe ich mir vorgestellt, hier einmal zu tanzen«, erzählt sie und sofort schickte sie eine Bewerbung los. Für die Saison 2004 war es schon zu spät, doch das Komitee setzte das Paderborner Paar auf die Warteliste, schließlich waren seine Chancen, angenommen zu werden, recht groß.
Stefanie Maycock und Marcus Rehwinkel haben sich vor zehn Jahren bei einem Anfängerkursus in einer Paderborner Tanzschule kennen gelernt und dabei ein Hobby entdeckt, das sie bis heute pflegen: Turniertanz in den Standard-Disziplinen. Marcus wurde 2001 Landesmeister in der A-Klasse, Stefanie erreichte in der C-Klasse den NRW-Titel und punktet heute in der S-Klasse der Amateure. Deshalb war auch eine elementare Voraussetzung für die Teilnahme am Wiener Opernball für beide kein Problem: den Linkswalzer könnten sie im Schlaf tanzen. Dem Komitee mussten sie eine Videoaufnahme schicken, die ihren sicheren Walzerschritt dokumentiert.
»Für uns ist es ein großer Spaß, dabei zu sein«, lacht die junge Sekretärin, die inzwischen in Bonn ihre Brötchen verdient, und wirkt dabei überzeugend natürlich. Allerdings kostet dieses Vergnügen eine Kleinigkeit: Eintrittskarte 215 Euro, Tischplätze für fünf Personen 750 Euro (beide Mütter und Marcus Freundin Sonja fliegen mit nach Wien), Flugticket, Hotel für eine Woche, Abendgarderobe und Friseur addieren sich zu einer netten Summe.
Am 28. Januar beginnen in der Staatsoper die Proben für den großen Auftritt der Debütanten, drei Tage hat das Komitee dafür angesetzt, am 2. Februar muss bei der Generalprobe jeder Schritt perfekt sitzen. »Für uns ist das nichts besonderes«, meint Marcus, »als Turniertänzer sind wir das gewohnt«. Weil sie Tanzsport betreiben, tragen sie auch weder Piercing, noch Tätowierung, denn das darf beim Opernball ebenso wenig sein wie ein Drei-Tage-Bart oder eine Punkfrisur.
Seit Wochenbeginn telefoniert Marcus Rehwinkel herum, um endlich an einen Frack zu kommen, dabei setzt er seine Hoffnung insbesondere in die Kostümsammlungen der Theater. Stefanie Maycock bleibt da ganz gelassen: Bis zum Abflug nach Wien sind ja noch vierzehn Tage Zeit.

Artikel vom 12.01.2005