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Schleppende Information - das nervt

Steinhagener berichtet von ersten Erfahrungen mit dem neuen Arbeitslosengeld II

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Allein gelassen fühlt er sich. Und uninformiert. »Man hängt völlig in der Luft«, beklagt Berthold Fechtner. Der 50-jährige Steinhagener gehört zu den Arbeitslosen, die seit dem 1. Januar Arbeitslosengeld II bekommen. Doch das neue System stellt sich als undurchdringlicher bürokratischer Dschungel dar. Im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT schildert er, was einem mit Hartz IV passieren kann . . .

Dass er nun monatlich fast 75 Prozent weniger Geld hat, das ist nur das eine - aber das Schlimmste. Bis zum 19. Dezember bekam der Industriekaufmann, dessen Firma Anfang 2002 die Insolvenz angemeldet hatte, Arbeitslosengeld, seitdem Arbeitslosenhilfe. Statt bisher rund 1300 Euro pro Monat stehen ihm laut des Bescheides über Arbeitslosengeld II (ALG II), den er am 30. Dezember erhielt, nur noch 345,99 Euro im Monat zu. Ein Schock: »Das reicht hinten und vorne nicht.«
Dass er aber derzeit nicht einmal erfahren kann, wie die Höhe seines ALG II zustande kommt, das ist das andere. Und das ärgert den Steinhagener maßlos. Auskünfte zu bekommen, gestaltet sich als ausgesprochen schwierig. Gleich am Montag wurde Berthold Fechtner mit seinem Bescheid vorstellig im Steinhagener Sozialamt, das jetzt als Dienststelle Steinhagen der zuständigen Arbeitsgemeinschaft GT aktiv Gmbh Aufgaben vor Ort übernommen hat (siehe dazu auch das untenstehende Interview). Doch das Arbeitsamt hatte Fechtners Akte noch nicht geschickt. Erst gestern war sie in Steinhagen eingetroffen und so komplex, dass der Sachbearbeiter den 50-Jährigen nur um einige Tage Aufschub bitten konnte, um sich selbst erst einmal in den Fall einarbeiten und dann fundierte Informationen geben zu können.
Und die braucht Berthold Fechtner dringend, denn gegen den Bescheid legt er Widerspruch ein. Eine Begründung muss er in den nächsten drei Wochen nachreichen. Dafür aber muss er genau wissen, welche seiner finanziellen Verpflichtungen nicht berücksichtigt wurden. Da ist etwa das Haus, das weiter abbezahlt werden muss. Über 110 Quadratmetern Wohnfläche verfügt es, für drei Personen werden aber nur 75 Quadratmeter angerechnet.
Wassergeld, Versicherungen, die Grundsteuern, Müllabfuhr, der Kindergartenplatz - alles nicht berücksichtigt. Das weiß der Familienvater jetzt schon. Kabelanschluss, Telefon, Internet: »Das wird als Luxus angesehen. Doch gerade das Internet brauche ich doch für die Stellensuche.« Mit 345,99 Euro und dem, was die Ehefrau auf Teilzeitbasis verdient, kommt die Familie nicht zurecht.
Apropos Stellensuche: Seinen zuständigen Fallmanager kennt Berthold Fechtner auch noch nicht. »Ob ich über Steinhagen oder Halle vermittelt werde, klärt sich erst, wenn ich im März den nächsten Antrag für die Weiterbewilligung des ALG II stelle.«
»Es nervt schon etwas, wenn man nicht sofort Informationen bekommen kann. Aber die Leute hier im Rathaus tun schon, was sie können. Sie hängen halt auch in der Luft«, sagt er. Vielmehr hätten die Politik in Berlin und das Arbeitsamt bei Hartz IV den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht: »Bevor etwas eingeführt wird, muss es vernünftig erarbeitet werden.« Selbst ein Infoblatt wie bei derArbeitslosenhilfe gibt es nicht. Und so erfuhr der Familienvater nur über Umwege, dass er, um über seine Ehefrau krankenversichert zu werden, erst einmal einen Antrag stellen muss . . 

Artikel vom 07.01.2005