07.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Handel mit der »Ware Kind«

Hilfsorganisationen befürchten Verschleppung und Missbrauch

Von Wolfgang Schäffer
Osnabrück/Köln (WB). Als wäre das Elend noch nicht groß genug: In den von der Flutkatastrophe zerstörten Gebieten Asiens verdichten sich die Hinweise, dass skrupellose Verbrecher die Situation ausnutzen, um elternlos umherirrende Kinder zu verschleppen, zu verkaufen oder zu missbrauchen.

»Wir nehmen die Hinweise sehr ernst. Die Gefahr ist groß, dass Kinderhändler vor allem in Thailand und Indonesien unterwegs sind.« Claudia Berker, Sprecherin von terre des hommes in Osnabrück, weiß, dass die Länder, in denen die »Ware Kind ohnehin schon traditionell ein Handelsobjekt« ist, derzeit besonders gefährdet seien. »Die unübersichtliche Lage gerade auch in den Auffanglagern, unter Schock stehende Kinder ein weitestgehend lahmgelegte Ordnung - das alles spielt den Tätern in die Hände«, sagt Berker im Gespräch mit dieser Zeitung. Bislang gebe es zwar nur Gerüchte, seien keine konkreten Fälle bekannt geworden. Doch die Sorge um die Kinder sei extrem groß.
Die Kindernothilfe Duisburg hat nach eigenen Angaben Informationen, wonach aus mehreren Notunterkünften in Sri Lanka bereits Kinder verschwunden seien. Es bestehe die Gefahr, dass die Kinder von der tamilischen Rebellenarmee zwangsrekrutiert werden sollen.
Einige Hinweise deuten darauf hin, dass Kinder als Arbeits-Sklaven oder auch zur Prostitution verschleppt und verkauft würden. Dabei seien oft einheimische Mittelsmänner im Einsatz. Die würden meistens eher das Vertrauen der Kinder genießen und auch nicht so auffallen wie Europäer, die letztendlich häufig am Ende der Kette auf die »Ware« warteten.
UNICEF-Sprecher Christian Schneider hat Nachrichten aus den Krisengebieten, nach denen Kinder über SMS wie im Katalog angeboten werden. »Unsere Mitarbeiter vor Ort haben uns berichtet, ihnen seien Textnachrichten über Mobiltelefone zugespielt worden, in denen Kinder angeboten worden seien. Alter und Geschlecht müssten nur angegeben werden.«
Zwar gebe es noch keine Bestätigung für den Wahrheitsgehalt und auch die Behörden hätten das als »groben Unfug« abgetan. »Aber wir sind in größter Besorgnis.« Vordringliche Aufgabe sei nun, die Kinder in den Auffanglagern schnellstens zu registrieren und möglichst Familienangehörige zu finden.
»Das Beste für die traumatisierten und oftmals verstörten Kinder ist auf jeden Fall eine Betreuung bei Verwandten oder auch Familien im Land. Selbst eine Unterbringung in einem Heim ist besser als eine Auslandsadoption.« Christian Schneider spricht sich im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT mit Nachdruck dagegen aus, die Kinder aus ihrem heimatlichen Umfeld zu reißen und ist sich dabei mit Claudia Berker absolut einig. Schneider: »Wenn es jetzt hier plötzlich Adoptionsangebote von Kindern aus Sri Lanka, Indonesien oder Thailand geben sollte, sind die Vermittler auf jeden Fall unseriös. Da sind dann Kinderhändler am Werk, die mit der Not ein Geschäft machen wollen.«
Claudia Berker betont, dass die Kinderhilfsorganisationen alles dafür täten, den betroffenen Kindern in ihren Herkunftsländern Alternativen zu bieten.
UNICEF schätzt die Zahl der Kinder, die derzeit als Waisen in den Auffanglagern leben oder auch noch in den verwüsteten Landstrichen umher irren auf insgesamt 1,5 Millionen.

Artikel vom 07.01.2005