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HSV Hamburg bestimmt die Schlagzeilen

Rückte für Rainer Niemeyer auf den Mindener Trainerstuhl: Velimir Kljaic

Bilanz der 1. Bundesliga: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der ersten Saisonhälfte?

Lübbecke (WB/Kru). Halbzeit in der Handball-Bundesliga. Kiel ist wieder zurück an der Spitze, Aufsteiger Schwerin steht als Letzter vor dem sofortigen Abstieg. Seit dem Saisonstart Mitte September ist viel passiert in der »stärksten Liga der Welt«. Wir ziehen Bilanz, nennen Gewinner und Verlierer einer turbulenten ersten Saisonhälfte.

Jens Pfänders Tempohandball: Wer hätte das gedacht? Nicht wenige Fachleute in der deutschen Handballszene hatten den TuS N-Lübbecke zwar nicht als einen sicheren Abstiegskandidaten angesehen, ihn aber zumindest so eingeschätzt, das er die Kellerregion wohl kaum verlassen würde. Getäuscht! Was Jens Pfänder mit seinen Jungs an Tempohandball zelebrierte, verdiente vielmehr Anerkennung in höchsten Tönen. Handball-Herz, was willst Du mehr? Am Wiehen herrscht eine tolle Stimmung. Selbst die Topteams der Liga hatten es bislang ungemein schwer, in Lübbecke zu bestehen. Einige von ihnen strauchelten gar. Erst als sich Daniel Kubes verletzte und Pfänder von der angestammten 6:0-Deckungstaktik abweichen musste, offenbarte man größere Abwehrprobleme, die dazu führten, dass man sich nach dem Coup gegen Gummersbach vier Niederlagen in Folge einhandelte. Dennoch: die Punktbislanz ist beachtlich. Der TuS N-L zählt für uns bislang eindeutig zu den Gewinnern.
Zerplatzte Mindener Träume: Ein größerer Etat, mit dem Teil-Umzug in die TUI Arena ein Aufbruch zu neuen Ufern, eine vermeintlich erheblich stärkere Mannschaft, eine Zielsetzung, die erstmals seit Jahren wieder auf einen einstelligen Tabellenplatz ausgerichtet war - und was sprang letztlich für GWD Minden heraus? Nichts als Pleiten, Pech und Pannen. Sicherlich hatten die »Grün-Weißen« den schlechtesten Spielplan aller 18 Teams. Sicherlich trieb das Verletzungspech viele Sorgenfalten auf die Stirn der Verantwortlichen. Sicherlich war der Trainerwechsel von Rainer Niemeyer auf Velimir Kljaic alles andere als eingeplant. Und sicherlich hatte man sich in beiden Hallen auch einen größeren Zuschauerzuspruch erhofft. Aber dennoch: bei Berücksichtigung aller Negativaspekte hätte gerade zu Saisonbeginn eine bessere Leistung, mehr Kampf, Einsatz, Moral und Biss erwartet werden dürfen. Jetzt hängt man im Keller, wird bis zum Saisonende um den Ligaverbleib zittern müssen. Keine Frage: GWD ist bislang einer der größten Verlierer der Saison.
Hamburgs Finanzmisere: Das Thema der Vorrunde. Der HSV Handball kämpft um seine Existenz. Auch dem ehemaligen HBL-Vorsitzenden Heinz Jacobsen gelingt es nicht, das Schiff in ruhigeres Fahrwasser zu bekommen. Boss Winfried Klimek sitzt über Weihnachten in Untersuchungshaft. Acht Punkte wird die HBL dem Klub wegen Verstößen gegen die Lizenzauflagen abziehen. Mit dem Unternehmer Andreas Rudolph scheint allerdings ein Retter gefunden worden zu sein. Dennoch: Für uns ist der HSV Handball der große Verlierer.
Bob Hannings Helden: Hamburgs Handballer dagegen zeigen Moral. Trotz Verletzungsproblemen und wirtschaftlichem Chaos im Verein spielt der HSV vorn mit, erreicht DHB-Pokal-Viertelfinale und die Runde der letzten Acht im Europapokal der Pokalsieger. Bravo! Hamburgs Spieler gehören zu den Gewinnern der Vorrunde.
Noka Serdarusic und Uwe Schwenker: Der THW hat den Umbruch vollzogen und meldet neue Ansprüche in Bundesliga und in Europa an. Spieler wie Christian Zeitz oder Marcus Ahlm haben eine glänzende Zukunft vor sich, mit Kim Andersson (Sävehof) und Nikola Karabatic (Montpellier) kommen zwei der größten Talente Europas an die Förde. Ganz klar: Kiel ist ein Gewinner.
SV Post Schwerin: Der Aufstieg kam vollkommen überraschend, der Abstieg scheint unabwendbar. Nur zwei Zähler holte der Klub aus Mecklenburg-Vorpommern in der Vorrunde. Eine trostlose Bilanz, selbst wenn die Zähler gegen den Rekordmeister aus Gummersbach errungen wurden. Schwerin gehört natürlich zu den Verlierern, wenngleich Aktionen wie »Gemeinsam holen wir den Spanier« oder »Mit 5000 schlagen wir Lemgo« nicht unamüsant sind.
Flensburgs Durchbruch: Der Makel des »ewigen Zweiten« hängt der SG nicht mehr an. Und die Schleswig-Holsteiner starteten im Jahr eins nach dem Gewinn der Meisterschaft durch: Zweiter in der Liga, unter den letzten Acht in der Champions League und im DHB-Pokal - Flensburg hat Hunger auf Erfolg. Das Erfolgsduo Kent-Harry Andersson/Thorsten Storm hat die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft gelegt. Flensburg ist ein Gewinner!
Gummersbacher Achterbahnfahrt: Der VfL wird den eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Siegen wie dem gegen Meister Flensburg oder im EHF-Pokal gegen Klubs wie Dünkirchen stehen unerklärbare Pleiten wie in Schwerin oder Lübbecke und daheim gegen Wilhelmshaven gegenüber. Aufsichtsrats-Boss Krämer platzt der Kragen. »Die Mannschaft tickt nicht richtig«, sagt er. Die Meinung muss ihm gestattet sein. Krämer ist Gewinner, der VfL Verlierer.
Henning Fritz: Der gebürtige Magdeburger wird in Kiel zum besten Torhüter der Welt und zum Sympathieträger des deutschen Handballs. Der »neue Hexer« - ein echter Gewinner.
Lemgos Energieleistung: Der »TBV Deutschland« trug die Hauptlast bei Olympia 2004, kam zurück, erlebte Rückschläge und bäumte sich dagegen auf. Trotz zahlreicher Verletzungen - u.a. von Spielmacher Markus Baur - und angeschlagener Spieler - Daniel Stephan, Florian Kehrmann - kommen die Ostwestfalen zurück, klopfen ganz vorn an in der Liga und erreichen das Viertelfinale der Königsklasse. Daher: Der TBV ist trotz des wohl abgefahrenen Meisterzuges ein Gewinner.
Christian Schöne: Nationalspieler und bei der WM dabei, allerdings ohne Zukunft in Magdeburg. Wegen eines Überangebots an Linkshändern lässt der SCM den Rechtsaußen ziehen. Andere Klubs signalisierten bereits Interesse. Dennoch: Schöne ist einer der Verlierer.

Außerdem aufgefallen:
Magdeburgs Inkonstanz: Die Talentschmiede arbeitet auf Hochtouren. Gleich sechs SCM-Youngster werden bei der WM in Tunesien für Deutschland auflaufen. Doch das mit Stars besetzte SCM-Team leistet sich in die Bundesliga immer wieder Aussetzer. Daher: In der Warteschleife.
Nordhorner Wiederauferstehung: Dank einer glänzenden Heimbilanz (15:3 Punkte) klopft die HSG wieder oben an. Im Blickpunkt: Holger Glandorf, der der neue Volker Zerbe werden kann. Lemgo zeigt bereits Interesse. Daher: Ein Hoffnungsschimmer.
Björn Navarin und Michael Hegemann: Zwei Rückraum-Asse, die ihre Teams tragen. Der Pfullinger Navarin ist mit 129 Toren die Nummer zwei der Torschützenliste, der Düsseldorfer Hegemann mit 119 Treffern die Nummer vier. Beiden steht aber noch viel Arbeit im Abstiegskampf bevor. Daher: In der Warteschleife.
Image der Liga: Der Handball muss kämpfen. Hamburg ist nicht alleine: Auch in Wilhelmshaven, Essen, Wallau, Wetzlar, Minden oder Schwerin gibt es verschiedenste Probleme. Daran muss gearbeitet werden.

Artikel vom 07.01.2005