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Ein Platz für die Vergangenheit

Im Stadtarchiv von Joachim Kuschke schlummern viele historische Schätze

Von Lars Rohrandt (Text und Foto)
Löhne-Bahnhof (LZ). Irgendwann geht es für jeden Löhner Verwaltungsvorgang im Rathaus abwärts. Bis ins dritte Untergeschoss führt die Akten ihr Weg, wo sie, von Büro- und Heftklammern befreit, in säurefreie Kartons wandern. »Es ist das Gedächtnis der Verwaltung und der Stadt«, sagt Joachim Kuschke über seinen Arbeitsplatz, das Stadtarchiv.

»Meine Hauptaufgabe ist es, die Vorgänge der Verwaltung zu übernehmen«, erzählt der 48-jährige Archivar weiter. Die kommunalen Verwaltungen seien durch das Archivgesetz von 1988 dazu verpflichtet, das Aktenmaterial entsprechend zu behandeln und aufzubewahren. In Löhne entstand bereits ein paar Jahre zuvor, ungefähr zeitgleich zum Heimatmuseum, 1984 ein Archiv. Die Idee dazu hatte Gerhard Rösche, der sich fortan um das Archiv kümmerte. 1988 trat dann der studierte Historiker Joachim Kuschke sein Amt an.
»Bestimmte Unterlagen müssen die Ämter aufheben, auf andere wollen sie gerne weiter Zugriff haben, und manche möchte ich für das Archiv sichern«, sagt Löhnes Archivar. Was durch dieses Sieb fällt, wird kassiert, sprich vernichtet. Anschließend werden die Unterlagen nutzbar gemacht - für die städtischen Mitarbeiter und die interessierte Öffentlichkeit, die Einblicke in die Geschichte Löhnes nehmen kann.
Das jüngere städtische Schriftgut füllt nur einen Teil der 450 Regalmeter im Archiv. Dort stehen beispielsweise ferner die Akten der ehemaligen Ämter sowie Gemeinde- und Schulchroniken. Ein Gedächtnis der Stadt bildet sich aber nicht nur aus den Hinterlassenschaften von verwaltenden Institutionen. Karten und Pläne, Fotos und Postkarten, Nachlässe kleinerer Firmen und Geschäfte, Unterlagen von Sportvereinen und Parteien sind weitere Sammelschwerpunkte des Archivs.
»Das Stadtarchiv ist dabei auf die Mithilfe der Menschen in Löhne angewiesen«, sagt Joachim Kuschke. Denn was dort nicht abgegeben wird, bleibt den Geschichtswissenschaftlern oder Hobbyhistorikern vorenthalten. Kuschke nennt ein Beispiel: »Heute ist es nur schwer möglich, eine Geschichte der Tante-Emma-Läden zu schreiben.« Die Unterlagen dieser Geschäfte seien schlichtweg nicht aufgehoben worden. Heute zu erkennen, was in Zukunft die Forschung interessiert, ist die Aufgabe der Vergangenheitsexperten in den Archiven.
Löhnes Stadtarchivar erinnert sich an so manche Begegnung, bei der es ihm kalt den Rücken heruntergelaufen ist. Kurz bevor eine Frau ihre Rumpelkammerfunde zu Altpapier werden ließ, konnte der 48-Jährige einen Blick drauf werfen. Er entdeckte ein Predigtbuch von 1756 und mehrere Gesangbücher aus dem 19. Jahrhundert. Ein Volltreffer.
»Bei uns in der Gegend gibt es viel Eigentum, daher auch viele ältere Dachböden, wo sich im Laufe der Zeit so manche Sachen angesammelt haben.« Ob Feldpostbriefe oder Fotosammlungen - wer sich von historischen Dokumenten, die mit dem Löhner Raum verbunden sind, trennen möchte, kann sich an das Stadtarchiv wenden. Auch auf Bauernhöfen finden sich heute oft noch Unterlagen aus dem 19. Jahrhundert. Wie verlief die Hofübergabe?, ist eine Frage, die sich so beantworten lässt.
Schülergruppen, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus oder der Verkehrsgeschichte beschäftigen, und Hobbyhistoriker, die Familienforschung betreiben, sind Stammkunden im Löhner Stadtarchiv. Die Frage, ob die Vergangenheit die Menschen auch in Zukunft interessieren wird, beantwortet Joachim Kuschke ohne Zögern: »Ja, vor allem die Geschichte der Region. Die Menschen möchten wissen, was bei ihnen vor Ort passiert ist.« Geschichte stiftet Identität - hierzu können die Lokalarchive einen großen Beitrag leisten.
www.loehne.de

Artikel vom 04.01.2005