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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (101.Folge):Schwarze Stadt der Computer?


Fragt man einen Spötter, warum die Paderborner Einwohnerzahl von Jahr zu Jahr wächst, seit 1975 um immerhin 40 Prozent auf über 140.000, kommt die Antwort: »Das liegt am Weltuntergang. In Eurer alten Bischofs-, Kaiser- und Hansestadt kommt alles etwas später. Auch das Ende der Welt«. Daran wurde ich durch die Überschrift zum Jahreswechsel in einem regionalen Medium erinnert: »Schwarz als Forscherobjekt.«
Die Reihenfolge »Schwarz, Münster, Paderborn« stimmt aber nicht mehr. Bei uns sind noch 56,1 Prozent (Kernstadt 52,8) katholisch, 19,3 (20,0) evangelisch und ein Viertel »Sonstige oder ohne Bindung«.
Der im Juli 2002 verstorbene Kardinal Johannes Joachim Degenhardt hat mehrfach erklärt, ihn störe das »Schwarz, Münster, Paderborn« keineswegs. Wenn diese Aufzählung aber als Tadel der Paderborner benutzt werde, sollten die Bürger »selbstbewusst die eigene Auffassung bezeugen.« Gut so!
In einem Interview stellte der Paderborner Geschichtsprofessor Dr. Dieter Klenke das »Schwarze Paderborn« als Forschungsprojekt vor. Beweise für das »Feindbild in Fortsetzung« sieht der Historiker im Bekennerbischof Konrad Martin (+1879), Bürgermeister Christoph Tölle (+1977), in Lorenz Kardinal Jaeger (+1975), Rainer Barzel, Eugen Drewermann und Heinz Nixdorf (+1986).
Der »begeisterte Wahl-Paderborner« (Klenke über Klenke) kreidet Bürgermeister Tölle an, der habe nach 1945 Kriegerdenkmäler verschwinden lassen. 1965 sei ein Foto entdeckt worden, das Erzbischof Jaeger (ab 1941) als Militärpfarrer in Uniform mit Adler und Hakenkreuz zeigt. Dieses Foto ist Paderbornern seit über 60 Jahren bekannt. Auch britische, amerikanische und französische Militärgeistliche tragen noch heute Uniformen mit Rangabzeichen und nationalen Symbolen.
Der sich als »Medientherapeut für Paderborn« bezeichnende Historiker sollte eigentlich wissen, dass Papst Paul VI. dem 64. Paderborner Bischof das Kardinalpurpur verliehen hat, um den »in der Weltkirche und jenseits konfessioneller Grenzen als Schrittmacher der Ökumene Wirkenden« zu ehren.
Dr. Rainer Barzel, den Paderborner Ehrenbürger und Bundestagsabgeordneten von 1957 bis 1984, nennt Klenke einen »strammen Gegner der Ostverträge«. Dem früheren CDU-Bundesvorsitzenden, Kanzlerkandidaten, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden, Bundestagspräsidenten und Bundesminister wurde 1994 durch Bundeskanzler Helmut Kohl bestätigt: »Sie lehnten 1972 die Verträge mit Moskau und Warschau ab und setzten einen Brief zur Deutschen Einheit und eine gemeinsame Entschließung des Bundestages am 17. Mai 1972 durch.« Barzel hielt so den Weg frei für die Wiedervereinigung 18 Jahre später.
In Schwarz-Paderborn wurden auch als »stramme« SPD-Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Ulrich Lohmar, »Hennes« Saxowski, Klaus Thüsing und neuerdings die zielstrebige Ute Berg »geduldet«.
Klenke-Zitat: »Man wusste, da gibt es auch Nixdorf. Aber das war ja nicht interessant.« Mein lieber Herr Gesangverein, das haut jeden Paderborner um! Ohne Heinz Nixdorf wären in unserer Stadt nicht die 200 Unternehmen für Informatik und Technik (IT), Kar-Heinz Stillers Wincor-Nixdorf (6100 Mitarbeiter, davon 2000 in Paderborn), gäbe es nicht mit dem HNF an der Fürstenallee das größte Computer-Museum der Welt (2005: »Die Zukunft der Familie«), den Ahorn-Sportpark und die segensreiche Westfalen-Stiftung!
Es lebt sich gut bei uns in der Großstadt mit der jüngsten Bevölkerung Deutschlands. In der Stadt der Computer, der Universität, des Handels und des Sports. Aber auch in einer traditionsreichen Domstadt, die ruhig ein wenig schwarz sein darf. Georg Vockel

Artikel vom 05.01.2005