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Hochzeit mit
Hindernissen

Silvesterstück in den Kammerspielen

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WV). Wenn sich der Bräutigam zur Trauung eine rosafarbene Krawatte binden lässt, muss man auf Einiges gefasst sein. Dann nämlich handelt es sich entweder um eine Geschmacksverirrung oder aber eine britische Komödie.

In letzterer fanden sich die Premierengäste des Silvesterstücks in den Westfälischen Kammerspielen wieder, die zum Jahreswechsel traditionell auf die leichte Kost setzen. Stückautor Robin Hawdon weiß virtuos auf der Klaviatur boulevardesker Unterhaltung zu spielen, und mit dem Thema »Hochzeit« kann man im Komödienfach eigentlich nichts falsch machen - wobei der Originaltitel »Perfect Wedding« das turbulente Bühnengeschehen prägnanter parodiert als die deutsche Übersetzung »Ein Traum von Hochzeit«.
Das Brautpaar Bill und Rachel, sekundiert von den Brauteltern, haben bei der Planung ihres schönsten Lebenstages nichts dem Zufall überlassen: Die Hotelsuite ist gebucht, der Trauzeuge pünklich und das Hochzeitskleid liegt parat. Und doch geht am Hochzeitsmorgen alles gründlich schief, weil der Gatte seinen Junggesellenabschied in der Nacht zuvor allzu ausgiebig gefeiert hat. So wacht er im Hotelbett mit einem fürchterlichen Kater neben einer völlig unbekannten jungen Frau auf. Noch bevor er die heikle Lage bereinigen und die Zufallsbekanntschaft verabschieden kann, stehen sein bester Freund und Trauzeuge Tom und kurz darauf auch seine künftige Gattin vor der Tür. Das turbulente Versteckspiel kann beginnen.
Der Fall ist heikel: In der Hochzeitssuite befindet sich definitiv eine Person zu viel. Um die Situation zu retten, müssen immer neue Erklärungen und Notlügen herhalten, wobei das Zimmermädchen willig assistiert und damit die Verwicklungen noch zusätzlich verkompliziert. An eine geordnete Hochzeitsvorbereitung ist nicht mehr zu denken, die Lage eskaliert zunehmend. Schließlich weiß niemand mehr so recht, wer eigentlich welche Rolle zu spielen hat, und während die Gäste schon zur Messe strömen, bahnt sich nebenan im Hotel ein Blutbad zwischen den in Eifersuchtszenen aufgelösten Protagonisten an. Hinreichend Stoff also für eine mark- und zwerchfellerschütternde Theaterfarce in gediegener Ausstattung (Telse Hand).
Die szenischen Böller fügen sich unter der Regie von Joerg Bitterich freilich nicht zum grandiosen Feuerwerk. Zu hektisch werden manche dramaturgischen Steilvorlagen beim lärmenden Querpassspiel zwischen den beiden nebeneinander liegenden Hotelzimmern verstolpert, und über die zum Teil wirklich witzigen Wortduelle gehen schauspielerische Feinheiten verloren. Dass die temporeiche Komödie zum Schluss sogar noch in eine ziemlich unglaubwürdige Love-Story einmündet, ist allerdings dem Stückautor anzulasten.
Keine glückliche Besetzung in der Rolle des flatterhaften Bräutigams ist Frerk Brockmeyer, dem das Dandyhaft-Spielerische fehlt, um glaubhaft zu machen, warum sich eine wildfremde junge Dame Hals über Kopf ausgerechnet in eine vom Barhocker kippende Schnapsdrossel verlieben sollte. Viel besser passt da schon Daniel Sonnleithner der Anzug des loyalen Trauzeugen Tom, der den Fehltritt seines Freundes nach Kräften zu vertuschen hilft, bis ihm selbst Hörner wachsen.
Neben den beiden männlichen Hauptdarstellern aus dem festen Kammerspiel-Ensemble agieren ausnahmslos Gäste auf der Bühne. Eva Mende gibt als kühl-unaufgeregte Braut Rachel eine sympathische Visitenkarte ab, und auch Kristin Leonhardt als die Turbulenzen auslösende Judy und Sabine Urban als Zimmermädchen empehlen sich für weitere Aufgaben. Komplettiert wird das Ensemble durch Monika Werner als nervöse Brautmutter und Thomas Heller als polternder Hoteldirektor mit britischem Akzent.
Der Premieren-Schlussapplaus nach neunzig kurzweiligen Minuten fiel herzlich, aber nicht überschwänglich aus.

Artikel vom 03.01.2005