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»Wir feiern unsere gute Rückkehr«

Bockhorster Ehepaar Asso entgeht auf Sri Lanka der Tsunami-Katastrophe

Von Stefanie Hennigs
Versmold (WB). »Was passiert ist, wird uns erst nach und nach richtig bewusst«, sagt Anwer Asso. Im Wohnzimmer des Arztes im Herzen von Bockhorst flimmern Bilder aus dem Katastrophengebiet in Südasien über den Fernseher. Auch aus Sri Lanka -Êdem Urlaubsparadies, aus dem vorgestern auch der 55-Jährige und Ehefrau Tatjana zurückgekehrt sind. Jetzt, wo er die Bilder sehe, sagt der Arzt für Anästhesie, werde ihm langsam das Ausmaß der Bedrohung klar.

Die Entscheidung, die buddhistischen Tempel im Landesinneren Sri Lankas zu besuchen, hat Tatjana und Anwer Asso wahrscheinlich viel Leid erspart. Als die Flutwelle ihre Hotelanlage in der Nähe von Beruwela im Südwesten der Insel verwüstet, sind der 55-Jährige und seine Frau mit einem befreundeten Ehepaar aus Österreich auf einer geführten Tour in Kandy. »Normalerweise wäre ich schnorcheln oder am Strand gewesen«, sagt der in Bad Rothenfelde praktizierende Mediziner. Einen Tag zuvor waren sie in Galle, dem Ort, der besonders schlimm betroffen ist. »Was wäre gewesen, wenn...?« ist eine Frage, die sich wohl jeder stellen würde.
»Wir sind am 26. Dezember um 6 Uhr losgefahren. Gegen 13 Uhr bekamen wir von unserem Fahrer die erste Nachricht, dass etwas passiert war. Wir haben erst einfach nicht geglaubt, dass das stimmt«, sagt Anwer Asso. »Wir haben gedacht, wir kehren zurück und können unseren Urlaub fortsetzen -Êdenn wir waren fern von dieser Katastrophe.«
In Deutschland sorgen die Nachrichten aus Südasien für große Aufregung - bei Tochter Rena (26) und Freunden. Per SMS gelingt es Anwer Asso, Kontakt zu halten und zu beruhigen. »Abends im Hotel haben wir dann die ersten Bilder gesehen. Wir haben erst zu diesem Zeitpunkt erfahren, dass nicht nur auf Sri Lanka etwas passiert war.«
Am Spätnachmittag des 27. Dezember kehren sie an die Küste zurück. »Ich habe unser Hotel erst gar nicht erkannt. Kein Mensch war mehr dort. Alle Türen und Fenster im Erdgeschoss waren von dem Wasser herausgeschlagen worden, überall lagen Palmen und Bäume in den Zimmern.« Die Hoffnung des Paares, in ihrem Zimmer im Erdgeschoss noch ihren Koffer und ihre Kleidung vorzufinden, zerschlägt sich: Es ist nichts mehr da. Sie haben nur noch das, was sie mit auf den Ausflug genommen haben. »Draußen habe ich eine meiner Flossen fürs Schnorcheln wiedergefunden.« Das Zimmer des befreundeten Paars liegt im ersten Stock und ist völlig unversehrt -Ê sie finden alles noch so vor, wie sie es zurückgelassen haben. Das Meer dagegen zeigt ein anderes Gesicht als noch an den ersten Urlaubstagen - es ist aufgewühlt und schmutzig. »Es roch nach Verwesung«, ruft sich Anwer Asso das Erlebte in Erinnerung. »Überall lag Müll.« Viele Straßen seien gesperrt gewesen. Die Assos machen sich Sorgen um ein Paar aus Finnland und dessen Kinder, die sie im Urlaub kennengelernt haben. Später erfahren sie, dass es ihnen gut geht. Zwei Gärtner der Hotelanlage, berichtet Asso, haben nicht überlebt.
Mit Hilfe von Einheimischen gelingt es dem Ehepaar, einen Wagen nach Colombo zum Flughafen zu organisieren und den für den 2. Januar geplanten Rückflug, auf den 29. Dezember vorzuverlegen. »Die Menschen waren sehr ruhig und sehr hilfsbereit.« Mit der Flasche Wein, die die österreichischen Freunde in ihrem Koffer für Silvester mitgebracht haben, stoßen die Vier an - darauf, dass ihnen viel Leid erspart geblieben ist.
»Am Flughafen haben wir eine Frau getroffen, die von den Malediven kam, einer der ganz kleinen, sehr flachen Inseln. Sie hat uns erzählt, dass sie schon bis zu den Knöcheln im Wasser gestanden und mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.« Grenzerfahrungen, von denen die Assos verschont bleiben. Auf dem Rückflug sammeln die Passagiere für die Betroffenen auf Sri Lanka. In Frankfurt wartet Tochter Rena auf ihre Eltern -Êmit warmen Sachen. »Sie hat sich natürlich große Sorgen gemacht.«
Der Jahreswechsel wird der erste seit langem sein, den Anwer und Tatjana Asso in Versmold feiern. »Normalerweise sind wir im Urlaub. Jetzt werden wir einige Bekannte einladen - und nicht nur das neue Jahr, sondern auch unsere gute Rückkehr feiern.«

Artikel vom 31.12.2004