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Mit Gänsehaut
über die Ziellinie

Radsport-Talent trifft Radprofi

Von Stephan Arend (Text und Fotos)
Altkreis (WB). Woran denkt ein Radprofi, wenn er sich schindet - wenn sich beim Anstieg zur Bergankunft die Menschenmassen auf der Straße unter ohrenbetäubendem Lärm nur zu einem winzigen Spalier öffnen?

Als Jörg Ludewig die berühmten Kehren hinauf nach L'Alpe d'Huez in Angriff nahm, ging ein Traum in Erfüllung. Trotz der Aufregung, trotz der Strapazen und trotz des Geräuschpegels kehrte der heimische Tour de France-Held in Gedanken für einen Moment zurück an den Anfang seiner Karriere. Auch 1989 stehen Tausende von Menschen am Straßenrand, als Jörg Ludewig »Rund um den Henninger Turm« gewinnt - als Jugendlicher. »Viele der Zuschauer, die mir zujubelten, haben gar nicht kapiert, dass da ein Nachwuchsfahrer und nicht ein Profi ins Ziel kommt. Eine Gänsehaut-Atmosphäre. Da habe ich Blut geleckt«, erzählt der 29-Jährige während seiner Übungseinheit in der Steinhagener Fitness Factory.
Sein Trainingspartner an diesem Tag ist erst 16 Jahre alt. Und doch kann er genau nachempfinden, was sein Vorbild ihm erzählt. Felix Schäfermeier kennt dieses berauschende Gefühl. Das Versmolder Nachwuchstalent hat bei der »Nacht von Hannover« den Sprint des Jugend-Rennens gewonnen - ebenfalls angefeuert von weit mehr als 10 000 Fans im Zielbereich.
Und genauso wie Jörg Ludewig will Felix Schäfermeier eines Tages einen Platz in einer Profi-Mannschaft ergattern. Auf dem Weg dorthin hat der Gymnasiast erst vor kurzem ein Etappenziel erreicht. Für den Landesverband NRW wird er in diesem Jahr erstmals in der Junioren-Bundesliga U19 an den Start gehen. »Das ist das Höchste, was man als Junior fahren kann. Im Vergleich dazu sind alle anderen Rennen Kirmes-Veranstaltungen.«
Dass auch Felix Schäfermeier Blut geleckt hat, ist dem Profi auf dem Ergometer neben ihm nicht verborgen geblieben: »Du hast dich bereits entschieden, dein sportliches Ding durchzuziehen und kannst auf den ganzen Party- und Disco-Krempel getrost verzichten.« Genau das hat Jörg Ludewig auch getan und es noch nie bereut: »Ich fühle mich auch mit 29 noch jung.«
Mittlerweile lohnt sich all' der Aufwand und Verzicht auch finanziell. Doch Geld, Reisen und Erfolge sind längst nicht alles, was den Radsport für den Steinhagener zu einem Traumberuf macht. Jörg Ludewig schwärmt auch von seinen Fans: »Ich bekomme Post aus allen Kontinenten. Es gibt ein Geschwisterpaar, das ist acht oder neun Jahr alt und malt Fotos von mir aus Radsport-Magazinen ab. Diese Bilder bekommen alle einen Ehrenplatz.«

Artikel vom 03.01.2005