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Bestes Storchenjahr seit 60 Jahren

Alte Storchendörfer wieder besiedelt - Beide Storchenpaare in Petershagen erfolgreich

Von Dr. Dr. Alfons Bense
Lübbecke / Minden (WB). Wie schon 2003 sorgte auch das Jahr 2004 für das Aktionskomitee »Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke« sowie alle Storchenfreunde für überaus positive Überraschungen. Lag der Bestand noch um 1990 bei drei Paaren, konnten Storchenpaare jetzt an 19 Plätzen im Kreis Minden-Lübbecke festgestellt werden, fünf mehr als im Vorjahr. Alle Paare brüteten, allerdings scheiterten immerhin fünf Bruten.
An 19 Plätzen im Mühlenkeis wurden in diesem Jahr Störche festgestellt, immerhin fünf Paare mehr als im Jahr zuvor. Zwar brüteten alle Paare, fünf Bruten scheiterten jedoch. Dennoch zeigen sich die Storchenfreunde positiv gestimmt. Foto: WB

Dies betraf überwiegend die Neuansiedlungen. 37 schließlich ausfliegende junge Störche, d. h. annähernd 2,0 ausfliegende Junge pro Horstpaar, sowie zusätzliche sieben bis neun noch nicht brütende Störche im Gebiet (»Brutreserve«) lassen berechtigte Hoffnungen auf weiteren Zuwachs zu.
Der Schwerpunkt der Storchenverbreitung liegt weiterhin im Bereich der Petershäger Weseraue. Neben den traditionellen Horsten in Schlüsselburg, Heimsen, Döhren, Windheim, Jössen und Petershagen (Horst I) zogen zum zweiten Mal in Wietersheim (Engelking) und Petershagen (Horst II auf dem ehemaligen Gefängnis) Storcheneltern Junge auf. In Petershagen gelang den Paaren auf dem Alten Amtsgericht (unberingt) und dem nur etwa 25 Meter entfernten Gefängnis (23-jähriges Storchenmännchen »Peterchen«, sechsjährige »Brandenburgerin«) die Sensation: Ohne feststellbare Streitereien miteinander hatte das Paar auf dem Gefängnis drei Junge, während das Paar im Horst I nach einem heftigen Kampf mit einem fremden Männchen drei Eier einbüßte und nur noch ein Junges zum Ausfliegen brachte. Auch Wasserstraße verblüffte: Auf dem Rittergut konnten nach über 50 Jahren erstmals wieder drei Jungvögel beringt werden.
Mit einem großen Schritt konnte Hille fast aufschließen: Sieben Paare brüteten in Hille (Kornbrennerei), Mindenerwald, Wittloge, Hartum, Südhemmern, Eickhorst und Rothenuffeln. Die ersten Bruten nach z. T. jahrzehntelanger Abwesenheit der Störche aus dem Ort schlugen in Hartum, Mindenerwald und Eickhorst noch fehl. Das alte Storchenland an der Bastau ist damit endgültig wiederbesiedelt! Leider verloren die Störche in Gehlenbeck (Schornstein Horstmeier) ihre Jungen in einem Storchenkampf. Es steht zu hoffen, dass die positive, von Osten kommende Entwicklung schon im Jahre 2005 auch den Altkreis Lübbecke mit seinen historischen Storchenlebensräumen erreichen wird. Südlich und nördlich des Großen Torfmoores sowie im Bereich Rauhe Horst könnte nach jahrelangen Bemühungen von Aktionskomitee und NABU ausreichend Lebens- und Nahrungsraum zur Verfügung stehen.
Weitere alte Nester sowie neuere Nistangebote erhielten auch 2004 kurzen Storchenbesuch, so dass für einige Plätze Hoffnung besteht: Buchholz (Pfahlnest an Weser), Heimsen (Deterding), Ilvese (Krüger), Neuenknick (Koch; Ehlerding; Meyer), Ilse (Meckling), Hävern (Berg), Hävern / Kleinenheerse (Lüdecke), Windheim (Kopfpappel Unter den Weiden; Haus No.2), Bierde (Lassowski), Rosenhagen (Dorfgemeinschaftshaus), Friedewalde (Braukamp; Jenz; Feuerwehr), Nordhemmern (Rüter), Unterlübbe (Meyer), Gehlenbeck (Pfahlnest), Nettelstedt (Moorschutzhof NABU; Aspelmeier), Espelkamp-Altgemeinde (Spechtmeier), Frotheim (Wittenberg), Levern (Heimatverein),Eininghausen (Budde).
Die Gründe für das Anwachsen der Storchenpopulation sind vielschichtig. Die erfolgreiche Arbeit des Aktionskomitees wurde letztendlich auch durch günstige Wetterverhältnisse 2004 unterstützt, die durchgängig reichlich Nahrung und mittlere Temperaturen boten. So regnete es in der Phase der Jungenaufzucht ausreichend, Jungvögel und Nester wurden jedoch zwischendurch immer wieder trocken. Lediglich in Eickhorst gingen die zehn bis 14 Tage alten Dunenjungen aufgrund gleichzeitiger Nässe und Kälte ein. Die neu angesiedelten, überwiegend unberingten Störche stammen nicht aus unserem Landkreis, in dem der gesamte Nachwuchs beringt wird.
Die »Nachfrage« dieser brutreifen Störche nach Lebensraum stellt eine große Chance für unsere Region dar. Sie darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Zukunft unseres Bestandes nur in der Aufwuchsquote hier vor Ort liegen kann. Nur wenn unsere Störche über Jahre ausreichend Junge großziehen können, wird sich die aktuell positive Entwicklung stabilisieren können. Heute ist es deshalb noch wichtiger, den Nahrungsraum der Störche, die möglichst extensiv genutzten Grünlandwiesen und Kleingewässer, zu schützen und zu vermehren, wo es geht. Anderenfalls könnte der überall geliebte Glücksbringer wie schon um 1990 an den gefährlichen Rand des Aussterbens im Kreis Minden-Lübbecke zurückfallen.
Die Störche stellen zunehmend ein starkes Symbol für den Kreis Minden-Lübbecke dar, das durch die Eröffnung der Storchenausstellung des Aktionskomitees im Haus Windheim No.2 im Frühjahr 2005 noch betont werden wird.

Artikel vom 30.12.2004