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Ladendiebe richten
Milliardenschäden an

Experte Lemke sieht das Ende für Langfinger kommen

Bielefeld (WB). »Geschlossen wegen Inventur.« Dieser Hinweis für Kunden hängt derzeit an vielen Ladentüren. Für den Geschäftsmann bedeutet die Bestandsaufnahme seiner Waren oft mühevolle Arbeit. Differenzen sind meist ein Indiz für Ladendiebstahl. »Allein in Deutschland ist 2003 ein Schaden von 4,5 Milliarden Euro entstanden«, sagt Experte Hans-Günther Lemke. Mit ihm sprach Redakteur Edgar Fels.
Hans-Günther Lemke (44), schreibt über Diebstahlverhütung. Der gelernte Kaufmann gibt für Mode- und Kaufhäuser Trainingsseminare. www.lemke-training.de

Herr, Lemke, fangen wir unser Gespräch mit einer These an: Ladendiebstahl lässt sich nicht verhindern! Was glauben Sie? Ja und Nein. Nein, weil es in den Geschäften eigentlich immer ungeschützte Stellen gibt. Die müssen die Mitarbeiter kennen und besonders im Blick haben. Ist das nicht der Fall, haben es Diebe leicht. Das absolut sichere Geschäft existiert leider nicht. Ja, weil es eine ganz neue Technik gibt, die den Diebstahl unmöglich machen könnte. Eine Technik, die in den USA bereits erprobt wird, die aber teuer ist.

Darauf gehen wir gleich näher ein. Zunächst zur Statistik. Dort heißt es, dass die Zahl der Ladendiebstähle 2003 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Ein gutes Zeichen? Nun, wir verzeichnen ein Prozent weniger Diebstähle. Das zeigt: Viele Unternehmen haben mehr in Diebstahlsicherung investiert. 2003 wurden etwa 535000 Ladendiebstähle angezeigt. Die Dunkelziffer der tatsächlichen Diebstähle dürfte weitaus höher sein. Außerdem muss man sagen: Heutzutage werden wesentlich höhere Werte gestohlen als noch vor zehn oder 15 Jahren.

Wie gehen die Diebe heute vor?Es fällt auf, dass die Gewaltbereitschaft zunimmt. Viele Täter sind bewaffnet oder schlagen mit einem Knüppel zu. Die Täter gehen daneben bei ihren Diebstählen kreativer vor. In meinem Buch habe ich 30 Tricks beschrieben. Der Geschäftsmann oder Verkäufer hat kaum eine Chance, wenn die Diebe als Gruppe zuschlagen.

Wie hoch ist der Schaden für den Inhaber? Wenn wir eine Rendite von zwei Prozent unterstellen und ein Dieb stiehlt Waren für 25 Euro, dann muss der Inhaber 1250 Euro mehr Umsatz erwirtschaften, um den Verlust wieder auszugleichen. Das ist eine Menge.

Gibt es so etwas wie »Diebstahlrenner«? Textilien und Kosmetika werden am häufigsten gestohlen. Seit 2003 fällt auf, dass auch verstärkt Tabak und Zigaretten im Visier der dann meist jugendlichen Täter sind.
Wer stiehlt? Die Täter kommen aus allen Schichten. Seit zwei Jahren - und das ist wirklich erfreulich - sind nicht mehr so viele Jugendliche und Kinder unter den Ladendieben. Dafür steigt die Diebstahlrate bei den Menschen zwischen 55 und 70 Jahren. Hintergrund ist wohl die steigende Zahl von Arbeitslosen in dieser Gruppe. Auch Mitarbeiter der Geschäfte sind ein großes Problem. Die Hälfte der Inventurdifferenzen wird von ihnen verursacht.

So kann man vermuten, dass immer mehr Ladendetektive zum Einsatz kommen? Die Sicherheitsbranche erlebt tatsächlich so etwas wie einen kleinen Boom. Gute Leute zu bekommen, ist aber schwierig.

Sie haben eben eine neue Technik erwähnt, die den Diebstahl eines Tages unmöglich machen könnte. Worum geht es? Die Technik heißt RFID, das Kürzel steht für Radio-Frequenz-Identifikation. In Amerika wird es etwa schon von Wal Mart erfolgreich eingesetzt.

Was genau ist RFID? In allen Produkten, Textilien, CDs oder DVD-Player, werden Chips implantiert. Die Käufer gehen mit dieser Ware nicht mehr zur Kasse, sondern durch ein Leseportal, ähnlich wie beim Flughafen. Alle Waren werden elektronisch erfasst. Der Kunde muss dann an einem Terminal bezahlen.

Hört sich gut an. Wann kommt die neue Technik zu uns? Es gibt zwei Probleme mit dieser Technik. Erstens Datenschutz. Der Kunde wird gläsern. Zweitens: RFID ist nicht ganz billig. Aber ich bin überzeugt, dass diese Technik eines Tages auch in Deutschland eingesetzt wird. Das wäre dann wohl der Albtraum aller Ladendiebe.

Artikel vom 06.01.2005