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2004 für Landwirte ein
Jahr der Herausforderungen

Agrarreform: Wilhelm Brüggemeier zieht Bilanz

Vlotho (VZ). »2004 war für uns Bauern ein Jahr voller Herausforderungen«, bilanziert der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Herford, Wilhelm Brüggemeier. Die weitere Globalisierung und Liberalisierung des Welthandels, die vollzogene EU-Osterweiterung sowie die Umsetzung der EU-Agrarreform seien »Meilensteine, die von den Bauernfamilien zu bewältigen sind«.

Außerdem bedrückten die nationale Agrarpolitik sowie die schwierige Situation mit stagnierenden Unternehmensergebnissen auf niedrigem Niveau die Landwirte. »2004 konnten die heimischen Bauern«, so Brüggemeier, »eine leicht über dem Durchschnitt liegende Ernte einfahren, allerdings bei deutlich gesunkenen Erzeugerpreisen.«
Die Getreideernte sei wegen der wechselhaften Witterung sehr schwierig gewesen. Viel gravierender wirkten sich jedoch die Beschlüsse der Politiker in Berlin und Brüssel aus. So bringe die im Juli beschlossene Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland tief greifende Änderungen. Sie werde negative Auswirkungen auf die Einkommen vieler Landwirte haben. Der Berufsverband habe in vielen Politiker-Gesprächen auf heimischen Höfen versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. »Wir haben Einiges erreichen können. Aber dennoch ist und bleibt die Umsetzung der Agrarreform hoch kompliziert und bürokratisch«, unterstreicht der Vorsitzende. »Anstelle von Deregulierung und Entbürokratisierung kommen neue Kontrollen sowie zusätzlicher Verwaltungsaufwand auf Betriebe und Behörden zu.«
Darüber hinaus verunsichere die geplante Reform der EU-Zuckermarktordnung die Rübenanbauer. »Wenn sich die radikalen Vorschläge durchsetzen, wird ein großer Teil unseres Zuckers bald nicht mehr auf hiesigen Äckern, sondern in Brasilien oder Australien erzeugt«, urteilt Brüggemeier.
Hart getroffen würden die Landwirte zudem durch die nationalen Belastungen des Haushaltsbegleitgesetzes wie beim Agrardiesel oder der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung. Brüggemeier: »Die Kürzungen des Agrarhaushaltes sind nichts anderes als einseitig steigende Sozialabgaben und überproportionale Steuererhöhungen.« So sei die Erhöhung der Agrardieselsteuer um 56 Prozent auf 40 Cent je Liter eine enorme Wettbewerbsverschlechterung. Landwirte in anderen EU-Ländern würden dagegen mit Blick auf die gestiegenen Ölpreise aktuell entlastet. »Solche Alleingänge gefährden den Agrarstandort Deutschland wie auch die Vorschriften im Tier- und Umweltschutz.« Sie würden einseitig so weit verschärft, dass die Produktion geradezu gedrängt werde, ins Ausland abzuwandern.
Im ganzen Jahr veranstaltete der Berufsstand Aktionen zur Kampagne »Lebensmittel sind mehr wert«, so auch aus Anlass der Preisverhandlungen der Discounter mit den Molkereien. Ziel sei es gewesen, auf die Folgen von Dauerniedrigpreisen bei Lebensmitteln aufmerksam zu machen, den anhaltenden Preisverfall zu bremsen und das Bewusstsein für hochwertige Lebensmittel zu schärfen.
Positiv stimmt den Vorsitzenden, dass nach den Ergebnissen des Konjunkturbarometers Agrar die wirtschaftliche Stimmung unter den Bauern erstmals seit fast zwei Jahren nicht weiter gesunken sei. »Sie hat sich sogar leicht verbessert.« Trotzdem sei die Verunsicherung über die Zukunftsperspektiven des Agrarstandortes Deutschland nicht überwunden, so dass Brüggemeier die Bauern aufruft, aufgrund ihrer fachlichen sowie unternehmerischen Fähigkeiten mit Selbstvertrauen und Zuversicht nach vorne zu schauen.

Artikel vom 29.12.2004