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Angeklagter mit
»Steppenblick«

Stilblüten aus dem Amtsgericht

Von Wolfgang Clemm
Herford (HK). Seit vielen Jahren veröffentlicht das HERFORDER KREISBLATT in unregelmäßigen Abständen die gesammelten freiwilligen und unfreiwilligen Stilblüten, die im Amtsgericht in immer neuer Frische produziert werden, die aber aus den verschiedensten Gründen nicht in die Gerichtsberichte aufgenommen werden können. Hier nun die neueste Ausbeute unseres »Theaterkritikers« Wolfgang Clemm.

Staatsanwalt Eberhard Leschhorn stellt seine Referendarin vor: »Ihr Vater wird übrigens am nächsten Wochenende Schützenkönig in K.« Direktor Bernd Kahre: »Und ich dachte immer, das wird erst in einem Wettbewerb ermittelt.«
Kahre zu einem Angeklagten: »Halluzinogene Pilze gelten bei uns im Gegensatz zu Korn und Bier immer noch als illegale Drogen.«
Derselbe Richter fragt einen Bünder Angeklagten: »Warum haben Sie denn unter Alkohol fünfmal brutal Leute zusammen geschlagen?« »Wegen der problematischen Beziehung zu meiner damaligen Freundin.« Kahre: »Frauen sind ja bekanntlich an vielem Schuld, aber in diesem Fall scheint mir das doch weit hergeholt zu sein.«
Ein Angeklagter: »Ich hatte keine Zeit, die Unterlagen für meinen Prozess durchzulesen und mitzubringen, ich komme gerade von Mallorca.« Er bekam umgehend zu hören: »Das wirkt sich natürlich strafverschärfend aus, unsereiner schuftet hier in Ostwestfalen.«
Kahre: »Vier der Einladungen, die wir mit hohem diplomatischem Aufwand in die Ukraine geschickt haben, sind in den Weiten der dortigen Steppe verschollen - und die beiden anderen Prostituierten sind heute auch nicht erschienen.«
Zwei Hauptschüler absolvierten ein dreiwöchiges Praktikum beim Amtsgericht. Es wurde ein voller Erfolg, schon am zweiten Tag stöhnten sie um 15 Uhr: »Schule ist viel besser!«
Ein Angeklagter hatte einen Vergewaltigungsversuch aufgegeben, nachdem ihm die Frau sehr treffsicher in die Genitalien getreten hatte. Da bekam der Begriff »strafbefreiender Rücktritt« eine ganz neue Bedeutung.
Ein Sachverständiger: »Ich bin ja kein Hellseher:« Bernd Kahre: »Sonst hätten Sie auch einen viel höheren Stundensatz.«
Verteidiger Dr. Binder bekannte im Plädoyer: »Ich hatte für jede Einzeltat meines Mandanten sogar jeweils zwölf Monate und nicht zehn wie der Staatsanwalt erwartet.« Direktor Kahre: »Ich habe das schon mal notiert.«
Eine 26-jährige Zeugin, die nach zwei Jahren die vier Täterinnen identifizieren soll: »Frauen verändern ihr Äußeres so schnell.«
Richter X: »Der nächste Angeklagte mit dem russischen Namen steht glaube ich schon draußen: Der hat so'nen Steppenblick.«

Artikel vom 29.12.2004