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Zu Weihnachten obdachlos

Kind löst auf der Suche nach Geschenken Wohnungsbrand aus

Von Michael Diekmann
und Jens Heinze
Bielefeld (WB). Ein Junge (7) hat am Donnerstag in Bielefeld mit einer brennenden Kerze heimlich im Kleiderschrank seiner Eltern nach Weihnachtsgeschenken gesucht. Die Flamme löste einen Brand aus, der die Wohnung zerstörte. Jetzt sind Benjamin und seine Eltern obdachlos.
Ausgebrannt: In diesem Haus in der Bielefelder Innenstadt wohnte Familie Hedtke.

»Es sollte doch ein schöner Familientag werden«, sagt Vater Reinhard Hedtke (61). Im Dreibettzimmer des Klinikums Mitte erinnert er sich in Bademantel und Pyjama (»Das ist alles, was uns geblieben ist«) an das Unglück am frühen Morgen. Während er den Frühstückskaffee brühte und Ehefrau Michaela (38) das Bett im Kinderzimmer machte, nutzte Sohn Benjamin die Gunst der Stunde zu einem »Überraschungsangriff« auf das Christkind: Er machte sich mit einem brennenden Teelicht auf ins Elternschlafzimmer.
»Dabei hatten wir alles so toll vorbereitet«, sagt Michaela Hedtke und wischt sich die Tränen von der Wange. In der Kühltruhe die Weihnachtsgans, auf dem Flur die prächtige Nordmanntanne - jetzt ist die Wohnung im Bielefelder Osten verwüstet. »Das ging alles so schnell«, berichtet Benjamin. Er habe doch nur etwas trinken wollen und solange die Kerze am Boden abgestellt. Die Flamme muss dabei einen Karton mit Spielsachen und dann das ganze Schlafzimmer entzündet haben. Allerdings: Benjamin reagierte instinktiv richtig. Er schloss, als er die Flammen sah, die Zimmertür und alarmierte den Vater.
Timo Sommer (22), freiwilliger Feuerwehrmann aus Halle (Kreis Gütersloh), und sein Arbeitskollege Daniel Fiedel (19) waren als erste Helfer am Brandort. Die beiden Gebäudereiniger sahen auf der Fahrt zu einem Kunden, dass dichter Rauch aus der Wohnung im ersten Stock des Sechsfamilienhauses quoll und Flammen aus dem Fenster schlugen. Die beiden organisierten bis zum Eintreffen der Feuerwehr den Rettungseinsatz, schickten Mitbewohner aus dem Treppenhaus ins Freie und räumten die Wohnungen.
Die Hedtkes kommen vorerst in einem Seniorenheim unter, in dem Mutter Michaela beschäftigt ist. Heiligabend feiern sie bei einer Freundin. Benjamin wird trotz seines Missgeschicks nicht ganz leer ausgehen: Das Bielefelder »Karstadt«-Haus hat versprochen, zur Not-Bescherung beizutragen.

Artikel vom 24.12.2004