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Wallenbrücker läuten
das Weihnachtsfest ein

»Beiern« soll in der Marienkirche wieder Tradition werden

Von Julia Lüttmann
Wallenbrück (SN). »Süßer die Glocken nie klingen als zu der Weihnachtszeit« - was ein berühmtes Weihnachtslied Glauben machen will, kann Gerd Heining nur bestätigen. Er pflegt in der Kirchengemeinde Wallenbrück den fast schon vergessenen Brauch des Beierns.

Das Wort »Beiern« leitet sich aus dem mittelniederländischen »Beiart«-Glockenspiel ab und bezeichnet eine bestimmte Art des Handläutens. Mehrere Glocken werden dabei gleichbleibend in Melodie und Rhythmus angeschlagen, im engeren Sinne bezeichnet beiern das rasche Anschlagen der Glocken in kunstvollen, häufig wechselnden Rhythmen, Melodien und Tempi. »Noch bis vor einer Generation war das Beiern an hohen Festtagen vom Turm der Marienkirche aus zu hören«, weiß Heining. Zur Hochzeit der Läutekultur erklangen die Kirchenglocken an den Tagen vor Pfingsten, Ostern und Weihnachten etwa 20 Minuten lang.
Nach und nach geriet diese Tradition jedoch in Vergessenheit. Als Gründe nennt Gerd Heining, dass Handarbeit immer weniger im finanziellen Rahmen des Küstergehaltes berücksichtigt wurde, außerdem entfielen auch einige der kirchlichen Anlässe für die geläutet wurde. Der Kindergottesdienst wurde nicht mehr an den Sonntagnachmittagen veranstaltet und der Ablauf der Beerdigungen veränderte sich nach dem Bau der Friedhofskapelle.
Doch einigen Bürgern ist das festliche Läuten in Erinnerung geblieben. »Bei den Vorbereitungen zum Spenger Geschichtsfest 1995 wurde der Wunsch geäußert, das ÝgroßeÜ Beiern wieder zu beleben.« Eine aufwändige Recherche setzte ein: Aus Erinnerungen des letzten »Beiaerdeurs«, alten Fotos und Resten der Anlage versuchte man zu rekonstruieren, wie die Seilzugvorrichtung funktioniert hatte. »Schließlich baute der Glockensachverständige der westfälischen Landeskirche, Claus Peter, eine ganz neue Stellage«, erklärt Gerd Heining, Wallenbrücks neuer »Beiaerdeur«.
Seit 1995 ist das Beiern zu Weihnachten ein fester Bestandteil des Mitternachtsgottesdienstes: Am Heiligen Abend erklingt das Geläut regelmäßig im Wechsel mit den Chorälen der Turmbläser. Einen Schritt weiter in Sachen Brauchtumspflege gehen Bläser und »Beiaerdeur« in diesem Jahr: Erstmalig erklingen Choräle und Geläut bereits am Nachmittag des 24. Dezembers. Zwischen der Christvesper für Kinder und der für Erwachsene, gegen 16.30 Uhr, wird zehn Minuten lang gebeiert. Und was für Heining bis jetzt nur »ein Versuch« ist, könnte zu einem Stück neuer, alter Tradition in der Kirchengemeinde werden.

Artikel vom 24.12.2004