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Versmolder helfen Kindern in Rumänien

30 000 Weihnachtspäckchen in Schulen, Heimen und Kindergärten verteilt - Neue Serie

Von Stefan Nölke
Versmold (WB). Vier Versmolder beteiligten sich dieses Jahr am Weihnachtskonvoi der Rudolf-Walther-Stiftung und des Round Table Deutschland. Sie brachten Geschenke in das Land, das 2007 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU stellen will - und in dem sie sehnsüchtig von 30 000 Kindern erwartet wurden. Mit einem Konvoi aus 13 Lastwagen wurden die gesammelten Weihnachtspäckchen bis in die Walachei gefahren und an die Kinder in Schulen, Heimen und Krankenhäusern verteilt. Über den Hilfskonvoi berichtet der VERSMOLDER ANZEIGER in einer vierteiligen Serie.

Im Winter sieht die Puszta hinter Budapest aus wie nach einem Flächenbrand. Die Obstbaumkulturen sind schwarz und dürr und lassen die aufgehende Sonne durchscheinen. Das Land ist so platt, dass nicht einmal die Kamera einen Anhaltspunkt findet. Ich sitze auf dem Beifahrersitz eines Fünfunddreißigtonners. Es ist kurz nach acht Uhr morgens und wir fahren gen Osten. Ein Konvoi mit dreizehn LKW und zwei Reisebussen.
Ich sitze in Wagen vier, Hans-Jürgen Meyer fährt und Rolf Nagel schläft auf der Liege, die den Fahrern vorbehalten ist. Mit Führerschein Klasse drei darf ich nur bis 7,5 Tonnen fahren. Ich bin Ballast. Beifahrer. Wir fahren nach Rumänien, um Kindern Hilfe zu bringen. Meine Stunde schlägt, wenn die Weihnachtspakete abgeladen und im Land an Kinder verteilt werden, die der Round Table für die Rudolf-Walther-Stiftung gesammelt hat.
Raureif liegt in den Feldern. Nebel steigt auf. Seit 24 Stunden sitzen wir in den Autos und sind nur bis Budapest gekommen. Wir drei kommen aus Versmold. Zu uns gehört noch Heinz Weigang, der es vorzieht, im Bus zu übernachten. Wir fahren direkt in die Sonne und halten schließlich an. Fahrerwechsel. Man riecht sich jetzt selbst. Die Haare sind wirr und die Finger kleben. Das Kreuz tut weh und die Zähne sind pelzig. Wir halten an. Erlöste Fröhlichkeit in den Gesichtern beim Wiedersehen nach der langen Nacht. Die Toilettenfrau profitiert davon. Der Preis steigt binnen Minuten von 20 Cent auf 30 Cent. Sie lässt sonst keinen durch.
Wir verlassen jetzt den Lauf der trägen Donau, die einen weiten Bogen macht um Temesvár, wo wir hin wollen. Über Hunderte von Kilometern zieht sich ein Maschendrahtzaun die Autobahn entlang, der das Wild nicht durchlässt, dass ich ab und zu sehe. Jemand hat sich Gedanken gemacht und dann den Durchlass vergessen, der den Tieren ihren Wechsel ermöglicht. An den Straßen stehen Postkästen und Wetterstationen. Das Land wirkt bestellt. Ich war 1998 einmal hier, da war es wüst.
Später Landstraße. Ein Restaurant, das Gumi heißt. Gegen 14 Uhr erreichen wir die rumänische Grenze. Ein in den Vorjahren vernachlässigtes Gesetz schreibt vor, dass alle Waren noch hier an der Grenze den statistischen Warengruppen zugeordnet werden müssen. Das dauert. Im Zollhäuschen stapelt sich ganz offen das Mitgebrachte auf dem Tisch. Getränke, Süßigkeiten, ein paar extra angeschaffte Uhren.
Andrew Fordyce ist Vizepräsident des Round Table Deutschland, aber als Südafrikaner benötigt er ein Visum. Daran hatte niemand gedacht. Er wird im Taxi nach Szeged zurück geschickt. Weil er schon einmal da ist, soll er in einem ungarischen Supermarkt 50 Kilo Roggenmehl kaufen und über die Grenze schmuggeln, weil es für die Einweihung der Bäckerei im Kinderdorf noch fehlt. Was heißt Roggenmehl auf Ungarisch?
Das Klo kostet hier an der Grenze umgerechnet 50 Cent und wird von einer ganzen Familie bewacht. Ein essbares Wiener Schnitzel mit Pommes kostet 2,50 Euro.
Kurz vor 21 Uhr trifft Andrew Fordyce wieder ein. Wir werden gebeten, fünf unserer Weihnachtspäckchen zurück zu lassen, dann ist es genug. Wir dürfen fahren. Das Mehl steht bei uns im Führerhaus. Es stellt sich als Weizenmehl heraus. Das gibt es auch in Rumänien zu kaufen, aber wir können es schlecht stehen lassen. Niemand mehr, dem es jetzt nicht reicht. Direkt hinter der Grenze liegt ein österreichischer Bulli am Straßenrand, der kurz vor uns abgefertigt worden war. Er hat Weihnachtspäckchen geladen wie wir und ist jetzt in einen Frontalzusammenstoß verwickelt.
Wir treffen um ein Uhr morgens im Kinderdorf der Rudolf-Walther-Stiftung in Temesvár ein. Mein Bett gehört einem Jungen, der mir seine Stofftiere dagelassen hat. Er schläft die Tage anderswo. Kurz noch in den Waschraum. Gegen das mächtige Schnarchen umher hilft Ohropax. Wecken um sieben. Bisher war ich wenig nütze. Doch später möchten wir die ersten 30 000 Päckchen an die Kinder verteilen - wenn der Zoll mitspielt. Wird fortgesetzt

Artikel vom 24.12.2004