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Wenn Traditionen sich treffen

Schüler der Bischof-Hermann-Kunst-Schule kennen Weihnachten anders

Von Stefanie Westing
Espelkamp (WB). Wenn am Heiligen Abend Festtagsstimmung in den Wohnzimmern Einzug hält und die Familien um den Weihnachtsbaum sitzen, ist das für die meisten Menschen in Deutschland ganz normal. Doch nicht überall wird Weihnachten gefeiert, und gerade in Espelkamp leben viele Kulturen, denen das christliche Fest fremd ist.

In der Bischof-Hermann-Kunst-Schule im Ludwig-Steil-Hof treffen viele Jugendliche zusammen, die mit Weihnachten gar nichts anfangen können. Andere Schüler wiederum kommen aus Ländern, in denen das Fest der Feste noch viel traditioneller gefeiert wird.
Einer, der sich zuerst an die deutsche Art, Weihnachten zu feiern, gewöhnen musste, ist Nabeel-Arif Hussain. Der 17-Jährige kam vor zweieinhalb Jahren mit seiner Familie aus Pakistan in die Bundesrepublik. »Wir sind Moslems, und Moslems feiern kein Weihnachten. Seitdem wir in Deutschland sind, haben wir aber doch einen Tannenbaum, und Geschenke gibt es auch.« Doch drei Tage lang wird im Hause Hussain nicht gefeiert: »Am ersten und zweiten Weihnachtstag muss ich in der Pizzeria meines Vaters arbeiten.« Ganz neu war das Fest für den 17-Jährigen nicht, als er nach Deutschland kam: »Freunde von mir haben in Pakistan Weihnachten gefeiert. Anders war das bei anderen Festen. Von Ostern hatte ich noch nie gehört. Das war schon komisch.« Während die Schüler an den christlichen Schulen in Pakistan über Weihnachten mehrere Tage frei hatten, mussten die Jungen und Mädchen der moslemischen Schulen ganz normal zum Unterricht gehen: »Leider.«
Ebenfalls Moslem ist Junadi Tajdaev aus Tschetschenien, der in der Bischof-Hermann-Kunst-Schule in die selbe Klasse geht wie Nabeel-Arif. »Wir feiern gar nicht. Ich fahre mit Freunden in die Disko«, erzählt der 20-Jährige. Das eine oder andere Geschenk wird aber doch auch gemacht. Nicht so bei Louise Djonga (17) aus dem Kongo. Die Zeugin Jehovas hat noch nie Weihnachten gefeiert und verbringt die Tage damit, zu schlafen oder fernzusehen. Menschen anderer Religionen im Kongo würden aber ähnlich feiern wie in Deutschland. »Bei ihnen gibt es Weihnachtsbäume und Geschenke. Aber zu dieser Zeit ist im Kongo Regensaison, und es ist sehr warm.«
Weihnachten bei warmen Temperaturen ist für Xenia Klassen und Tanja Iediger, beide aus Russland, undenkbar. »Bei uns wurde immer zweimal Weihnachten gefeiert - einmal am 24. Dezember und einmal am 7. Januar«, sagt Xenia. Inzwischen haben sich die Familien der beiden 17-Jährigen den deutschen Traditionen angepasst. Doch früher kannten es die beiden, dass »Väterchen Frost«, begleitet von Schneeflocke und Babuschka, die Geschenke brachte. »Er kam aber nicht wie der deutsche Weihnachtsmann durch den Kamin«, erinnert sich Xenia. Bei Tanja gab es früher zu Weihnachten keine Geschenke. In Xenias Familie wurde am 24. Dezember abends gekocht, dann gemeinsam gegessen. Nach der Bescherung legten sich alle Familienmitglieder ins Bett und lasen in der Bibel.
Ein wenig neu war die Situation auch für Marta Rebicz und Ewelina Fabiniak aus Polen, als sie das erste Weihnachtsfest in Deutschland erlebten. Denn: »In Polen feiern wir viel mehr als hier.« Auch die Adventszeit wird anders gestaltet: »Wir dürfen vier Wochen lang nicht feiern. Es geht eher besinnlich zu. Und Lichter in den Fenstern oder an den Bäumen draußen gibt es auch nicht. Das ist erst am Sonntag vor dem Fest erlaubt. Dann wird auch der Weihnachtsbaum geschmückt.«
Die überwiegend katholische Bevölkerung esse am Heiligen Abend zwölf Gänge. »Jesus hatte zwölf Jünger, daher die Zahl«, erklären die beiden Mädchen, 16 und 17 Jahre alt. "Aber alle sind ohne Fleisch. Es gibt eher Fisch oder Süßes, Teigtaschen und Rote-Bete-Suppe.«
»Der Weihnachtsmann kommt durchs Fenster und die Kinder müssen sich vor ihm verstecken«, erinnert sich Ewelina. »Oder die Kinder gehen nach draußen und müssen den ersten Stern suchen, der am Himmel erscheint«, ergänzt ihre Landsmännin. Jungen und Mädchen, die nicht brav waren, kann es auch passieren, dass sie bei den Geschenken leer ausgehen. »Sie erhalten dann symbolisch einen Ast«, sagt Ewelina. Ihr selbst ist dies auch schon einmal passiert. Um Mitternacht geht es dann zur Kirche. »Wir laufen dorthin, egal, wie weit es ist«, erklärt Marta.
Für sie ist es das erste Weihnachtsfest, das sie in Deutschland verbringt. Gefeiert wird, so weit es geht, nach polnischer Tradition. Eins steht aber schon fest: »In Polen hatten wir so gut wie immer weiße Weihnachten mit viel Schnee. Das wird hier wohl nicht klappen.«

Artikel vom 24.12.2004