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Hände des Meisters
ließen Musik »reden«

Orgelvirtuose Ton Koopmann in der Abtei

Marienmünster (nn). Manch freundliche Männer von Welt mit weißen Bärten sind immer auf der Durchreise. Für einen von ihnen lag der langersehnte Besuch in Marienmünster, zumindest in seinem dicht gedrängten Terminkalender, zwischen Zürich und Verona. Die Rede ist von Ton Koopman, dem Orgelvirutosen und derzeit profiliertesten Europäer in puncto Barockmusik.

Er gastierte zum Abschluß des Internationalen Orgelfestivals Westfalen-Lippe an der historischen Johann-Patroclus-Möller-Orgel (1736) im stimmungsvollen Ambiente der festlich geschmückten Klosterkirche.
Eine beachtliche Zuhörerschar war angereist, um schon vor Weihnachten das entscheidende Geschenk für die Ohren entgegenzunehmen: Barockmusik pur.
Das Wesen der KoopmanĂ•schen Interpretationen ist die Transparenz und Sprachfähigkeit seines Spiels, verbunden mit einer atemberaubenden Virtuosität und Energie, die gerade auf dem nicht leicht zu bedienenden historischen Instrument unendlich viel Musik werden ließ. Virtuosität ist in diesem Zusammenhang der Mut, aus einem oftmals bekannten Notentext Neuartiges herauszuarbeiten und in einer Lebendigkeit vorzutragen, die als Hochfest für die Sinne mehr als beglückend ist.
Das klar gegliederte Programm reihte Geschenk an Geschenk. Sweelincks »Fantasien« oder Buxtehudes im »tylus phantasticus« konzipierte Präludien verwandelten sich unter den Händen des Meisters in ungemein sprechende Musik. Zwei Werke spanischer Meister, Pablo Bruna und Francisco Correa, bestachen durch die eigenwillige Kolorierung archaischer Prägung und Zeit.
Das größte Geschenk waren zum Abschluß der Bescherung vier ausgewählte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, das frühe c-moll-Präludium mit einer an Georg Böhm erinnernden Figuration, das swingend und zugleich zupackende »Wachet auf« aus den Schübler-Chorälen, das seelenvolle »Schmücke dich« aus den »Leipziger Chorälen« und das monumentale Präludium und Fuge c-moll voller kontrapunktischer Gestaltungskraft und imposanter barocker Gravität.
Den langanhaltenden Beifall belohnte der bärtige Herr mit einer launischen Spielfuge in g, wiederum von Bach, himmlische Musik in unvergleichlicher Interpretation. Dem Himmel sei Dank für dieses einmalige Geschenk!

Artikel vom 23.12.2004