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Der den letzten Ton rauskitzelt

Florian Harke ist selbstständiger Cembalo- und Klavierbaumeister

Von Hubertus Hartmann (Text) und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). »Man müsste Klavier spielen können«, sang einst der ewige Charmeur Johannes Heesters. Wieviel Glück bei den Frauen hat dann erst Einer, der sowohl spielen, als auch Klaviere bauen kann? Florian Harke winkt grinsend ab. »Kein Bedarf.« Der Mann ist nämlich nicht nur frisch gebackener Klavier- und Cembalobaumeister, sondern auch glücklich verheiratet.

Sein privates Glück - demnächst wird er auch Vater - hat der 32-Jährige längst gefunden. Den beruflichen Erfolg sucht er in der eigenen Meisterwerkstatt. Zusammen mit seinem älteren Bruder Jens (35), der Klavierbauer-Geselle ist und zudem Betriebswirtschaft studiert hat, führt Harke nun in dritter Generation in Paderborn eine Familientradition fort. Ihr verstorbener Großvater Willi Harke, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre, hatte die Klavierbauwerkstatt 1932 gegründet.
Es ist wohl in erster Linie die familiäre Vorbelastung, die Florian Harke dazu brachte, einen derart ausgefallenen Beruf zu erlernen. Dazu kam die Liebe zum Klavier. »Diese Symbiose aus Handwerk und Kunst finde ich einfach faszinierend, diese Herausforderung, aus einem guten Instrument den letzten Ton heraus zu kitzeln.«
Für ganz Ostwestfalen-Lippe weist die Handwerksrolle gerade mal ein Dutzend Klavierbaumeister aus. Der Bund Deutscher Klavierbaumeister (BDK) zählt gut 100 Mitgliedsbetriebe. Von einem aussterbenden Handwerk kann trotzdem keine Rede sein. »Ganz im Gegenteil, ein Beruf mit Zukunft«, ist Harke überzeugt. Klaviere werde es immer geben. Gerade junge Familien kämen wieder zum klassischen Klavierspiel. »Digitalpianos und Keyboards können das Klavier nie verdrängen, man hört einfach den Unterschied.«
Bei dem renommierten Klavierbauer Schimmel in Braunschweig ist der Paderborner in die Lehre gegangen, hat bei »Klavierpapst« Ewald Vögele in Tübingen sowie dem italienischen Konzerttechniker Roberto Valli in Ancona gearbeitet und auf Deutschlands einziger Meisterschule in Ludwigsburg mit 16 Meisterschülern aus aller Welt im August dieses Jahres sein Meisterstück gemacht. Das sollte eigentlich ein Flügel werden. »Der war mir dann allerdings doch zu teuer, und ich habe ein großes Schimmel-Klavier gebaut«, erzählt Harke.
Instrumente bauen wird er so schnell wahrscheinlich nicht mehr. »Unser tägliches Brot ist das Stimmen.« Dazu kommen Reparatur- und Wartungsarbeiten. »In vielen Häusern stehen noch echte Schätze, die teilweise über 100 Jahre alt sind.«
Auf dem Gebrauchtmarkt würde heute allerdings auch viel Schrott angeboten. »Nicht jedes alte Instrument ist noch zu retten«, warnt der Fachmann vor vermeintlichen Schnäppchen oder ungesehenen Käufen bei E-Bay. »Für 2 500 bis 3 000 Euro bekommt man schon passable Einsteigermodelle.« Beim Flügel wird's natürlich wesentlich teurer. Ein Steinway kostet leicht 120 000 Euro und mehr. »Nach oben gibt es keine Grenze.«
Das Geheimnis eines guten Instruments beginnt beim Klangholz - in Deutschland vorzugsweise hochwertige Bergfichte - und setzt sich fort über die Mensur und richtigen Hebelverhältnisse bis hin zur Auswahl des Hammerkopffilzes. Die Komponenten, die von verschiedenen Herstellern kommen, zu einem stimmigen Ganzen zu verarbeiten - das ist die Kunst des Klavierbaus. »Dafür braucht man ein gutes Ohr, handwerkliches Geschick und musikalisches Empfinden«, sagt der Meister. Es gibt zwar auch Stimmgeräte. Doch Florian Harke bevorzugt die klassische Variante. »Wenn ich den Kammerton A habe, stimme ich die anderen 87 Töne nach Gehör.«
Das Gefühl für den richtigen Ton hat ihm seine Großmutter vermittelt, die dem Enkel bis zum zwölften Lebensjahr Klavierunterricht erteilte. Nach 20 Jahren Pause nimmt Harke jetzt noch einmal Unterricht in einer Musikschule. »Ich habe zwar jeden Tag mit Klavieren zu tun, käme sonst aber wahrscheinlich nie zum Spielen«, schmunzelt er.
Und schaden kann jene Fertigkeit, die Johannes Heesters so hingebungsvoll besingt, einem Klavier- und Cembalobaumeister bestimmt nicht.

Artikel vom 07.01.2005