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Süchtig nach
Mini und
Micky Maus

Über Stammgäste im Disneyland

Von Barbara Munker
Los Angeles (dpa). Doug Marsh zählt längst nicht mehr, wie oft er im kalifornischen Disneyland ein und aus geht. Nach Schätzung des hartgesottenen Fans sind es bestimmt mehr als 1500 Besuche, seit er als 14-Jähriger in den 70er Jahren seine Begeisterung für den Themenpark entdeckte.

Als er 1990 seinen ersten Jahrespass kaufte, war er fast täglich im Micky-Maus-Wunderland zu Gast, erzählt der 47 Jahre alte Bühnenbildner. Jetzt vergnügt er sich »nur« noch zwei bis drei Mal pro Woche in Disneyland und dem 2001 eröffneten Nachbarpark »California Adventure«, wo er schon 128 Mal im Flugsimulator »Condor Flats« über Kalifornien hinwegschwebte.
Mit Sonnenhut, Fotoapparat und einem freundlichen Lächeln wirkt der rotbärtige Amerikaner im »Happiest Place on Earth« (vom Disney-Konzern zum »fröhlichsten Platz auf Erden« erklärt) wie ein gewöhnlicher Tourist. Doch schon am Eingang bei der Kartenkontrolle wird er mit einem freundlichen »Hi, Doug« als Stammgast begrüßt. Er kenne viele hundert »Disney-Familienmitglieder«, die er regelmäßig im Park treffe und die genauso denken wie er, meint Marsh. »Hier lässt man den Alltag zurück und vergisst seine Sorgen, so wie es sich Walt Disney schon vor 50 Jahren wünschte.«
Der Disneyland-Experte zeigt auf den Gipfel des künstlichen Matterhorns, von dem Tinkerbell während des abendlichen Feuerwerks zum Dornröschen-Schloss fliegt. »Für das Jubiläum zum 50. wird eigens ein neues, spektakuläres Flugsystem installiert«, das hat Doug von einer seiner vielen Quellen im Park erfahren. Von Anfang Mai an will das Mäuse-Imperium das runde Jubiläum weltweit in allen Themenparks feiern. Ein neuer Goldanstrich am »Magic Castle« und frisch gepflanzte Blumenbeete am Ende von »Mainstreet« mit seinem Kennerblick erspäht Doug jetzt schon die ersten Verschönerungen.
»Der Park ist uns ans Herz gewachsen, das ist unser Hobby, so wie andere jeden Tag auf den Golfplatz gehen«, rechtfertigt Benji Breitbart seine vier Besuche pro Woche. Nebenbei betreibt der 22- jährige Soziologiestudent zusammen mit Doug und anderen Fans die Internetseite Laughingplace.com, ein Treffpunkt für Disneyfans in aller Welt. Dort gibt es Tipps für die besten Attraktionen, Diskussionsrunden über Mickey-Themen und Sonderangebote für Disney-Andenken.
Doug trägt seine Schätze in einem dicken Ordner mit sich herum - Eintrittskarten aus den 50er Jahren, seltene Disneyland-Prospekte und wertvolle Anstecker. »Pin Trading«, das Sammeln und Austauschen von Ansteckern, ist ein ernstes Geschäft. Er besitze »einige Tausend«, fachsimpelt Doug mit Connie, einer Getränkeverkäuferin im Frontierland, die bereitwillig zwei Pins mit ihm tauscht. Nach der »Indiana Jones«-Achterbahnfahrt und einem Foto mit Pluto will er noch mit dem Dampfzug durch das Fantasyland und am Matterhorn vorbeifahren.
»Er ist einer von uns«, meint Zugschaffner Ryan, als er Doug per Handschlag begrüßt. Seit vier Jahren würde er hier seinen »Traumjob« ausüben, doch Doug sei viel besser über alles informiert. »Wir sind weder fanatisch noch verrückt«, wehrt der Stammgast ab, der sich lieber als »Disney-Enthusiast« sieht. Doch Benji Breitbart räumt ein, dass es »süchtige« Fans gibt, die ein »ungesundes Niveau« erreicht haben. Eine Familie, die über ein Jahr lang jeden Tag Disneyland besuchte. Oder eine Frau, die sich schon 5000 Mal in das »Indiana Jones Abenteuer« stürzte.
Langweilig werde es in Disneyland auch nach zigtausend Besuchen nicht, davon ist Doug überzeugt. Prompt hat er ein Zitat Walt Disneys parat, der 1955 bei der Einweihung des Parks verkündete: »Solange es Fantasie in der Welt gibt, wird Disneyland nie ganz fertig sein.«

Artikel vom 15.06.2005