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Turnhallen-Tourismus statt Sportunterricht

Hauptschule Georg: erste Ganztagsschule in Paderborn - Räumliche Ausstattung mangelhaft

Von Andrea Pistorius
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Ganztags zur Schule: Um dieses Thema wird in der gegenwärtigen Diskussion über eine Verbesserung der schulischen Ausbildung heftig gerungen. Die Hauptschule Georg unterrichtet seit 1989 ganztägig und ist damit Vorreiter in Paderborn.

Personell ist sie gut ausgestattet, sagen die beiden Schulleiter Bernd Hesse (56) und Willi Liethen (52), doch räumlich wäre dringend etwas zu tun. Von Politik und Verwaltung wünschen sie sich daher ein klares Signal, welchen Stellenwert die Ganztagsschule in der Paderborner Schullandschaft einnimmt.
540 Mädchen und Jungen werden an der Erzberger Straße im Westen der Stadt in 24 Klassen unterrichtet. Nach dem Sechs-Stunden-Programm am Vormittag, das um 13 Uhr endet, findet eine knapp einstündige Mittagspause statt. Die Schüler können sich in dieser Zeit in einem Ruheraum entspannen, sich an einem Kiosk verpflegen oder in der Mensa, die von einem Pächter betrieben wird, ein warmes Mittagessen zu sich nehmen. Von Montag bis Donnerstag finden danach bis 15.20 Uhr noch zwei weitere Unterrichtsstunden statt, die die vertrauten Klassen- oder Fachlehrer leiten.
Die Georg-Hauptschüler haben damit mehr Unterricht als andere Kinder und Jugendliche, doch in Anbetracht ihrer besonderne Ausgangslage bewertet Rektor Hesse dies als Vorteil. Knapp 50 Prozent seiner Schützlinge sind Ausländer und Aussiedler, 35 Prozent werden von nur einem Elternteil betreut und viele haben häufige Schulwechsel hinter sich gebracht. »Unsere Kinder und Jugendlichen fühlen sich wohl an ihrer Schule, für sie ist sie so etwas wie ein zweites Zuhause«, beschreibt Hesse Erfahrungen, die er seit seinem Wechsel an die Hauptschule Georg vor vier Jahren macht. Liethen, der hier seit 25 Jahren unterrichtet, bestätigt diesen Eindruck.
Als engagiert und motiviert beschreibt das Führungsduo auch das Kollegium, dem 50 Lehrer in Voll- und Teilzeitverträgen angehören. Dazu kommen drei stundenweise beschäftigte Sozialarbeiter. »Die personelle Situation ist gut«, betont Hesse. Was der ganzen Schulgemeinde Kummer bereite, sei dagegen die Raumausstattung. »Schule hat nicht nur mit Bildung zu tun, sie ist auch Lebensraum für Schüler und Lehrer«, erklärt der Rektor und zählt eine Reihe von Missständen auf.
Unterrichtet wird in einem Hauptgebäude und sieben Pavillons, die inzwischen 35 Jahre alt und völlig marode seien. Überdachte Verbindungswege dazwischen gibt es nicht. »Wir bemühen uns, dass jede Klasse nach einem Jahr im Pavillon ins Hauptgebäude wechseln kann«, sagt Konrektor Liethen, doch immer sei das organisatorisch nicht zu lösen. Die naturwissenschaftlichen Fachräume sind zu klein, Vorbereitungsräume fehlen, Schränke stehen auf dem Flur.
Eine Aula sucht man vergeblich. Schulentlassfeiern und Theateraufführungen finden deshalb außerhalb der Hauptschule statt. Und auch eine Turnhalle gibt es nicht, die vorhandene wurde aus Fairnessgründen nach dem Motto »Kurze Beine, kurze Wege« an die beiden benachbarten Grundschulen Georg und Luther abgegeben. So fahren die Georg-Hauptschüler per Bus kreuz und quer durch die Stadt, um von den zwei Sportstunden in der Woche wenigstens eine auch tatsächlich Sport zu treiben.
Für Schüler, Lehrer und Eltern sind diese Zustände ein ständiges Ärgernis. Von allen Seiten sei das Bemühen da, sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren, versichert die Schulleitung, doch die Grenze des Zumutbaren sei erreicht. Da die Eltern als Initiatoren für eine Verschönerung der Schule oder als Vorkämpfer in der Schulpolitik ausfallen, wünschen sich Hesse und Liethen deshalb von der Stadt als Schulträger ein klares Bekenntnis zur Ganztagsschule mit allen dafür notwendigen Konsequenzen. »Ganztags zur Schule zu gehen heißt auch, die Freizeit sinnvoll gestalten«, ergänzt der Rektor und verweist auf eine lange Liste von Arbeitsgemeinschaften und Unterrichtsprojekten mit Modellcharakter.

Artikel vom 21.12.2004