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Tempo erst nach
der Halbzeitpause

Kabarett mit Anlaufschwierigkeiten

Von Thorsten Böhner
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Wäre es ein Fußballspiel gewesen, könnte man bilanzieren: Auf eine mäßige erste Halbzeit folgte eine starke zweite. Das alljährliche »Kabarett in der Region« in der Paderhalle war geprägt von einigen Anlaufschwierigkeiten.

Erst nach der Pause kam das Programm nicht zuletzt dank eines gut aufgelegten Volker Surmann richtig in Schwung. Dieser gab Einblicke in seine Jugend im Teutoburger Wald, wo es statt Haschisch nur Gras gab, und das war nicht mal zum Rauchen. Das Hüpfen in Kuhfladen war das Highlight der Saison.
Die Umkleidesorgen eines Dreikäsehochs am elterlichen Urlaubsstrand demonstrierte er mittels eines geblümten Umhangs eindrucksvoll. Doch auch der Blick nach vorn Richtung Rentenalter (wenn es das dann überhaupt noch gibt) stimmt ihn nicht froh. Einziger Lichtblick des Alterns: Der Hintern hängt endlich da, wo die Hose schon seit der Teenie-Zeit rumschlabbert.
Zurück zum Anfang: Der Auftakt gehörte Sebastian Krämer, der in seiner Art ein wenig an Erwin Grosche erinnerte, vor allem beim Vortragen der Liebesgedichte. Daneben haut er in die Klaviertasten und trauert seinem Hund nach, der am gleichen Tag starb wie Arafat. Dieser böse Vergleich war gelungen, sehr zähflüssig hingegen seine Ausführungen über die Gesellschaft im Speisewagen der Bahn. Kurzum: Der Part des Eisbrechers war nicht so recht auf ihn zugeschnitten.
Lokalmatador Eckhard Radau gab danach kulinarische Weisheiten zum Besten und schilderte den inneren Kampf zwischen ungezügeltem Appetit und schlechtem Gewissen, fließend begleitet von Bernd Düring am Piano. Diese und andere Anekdoten in Ehren: So richtig köstlich wurde es erst, als Radau die Problematik ausbreitet, die sich bietet, wenn man selber brutzelt und gleichzeitig dem zum Verfeinern der Speisen gedachten Alkohol frönt. Hier stolpert er - wunderbar anzuhören - mehr und mehr über die eigene Zunge.
Zudem malt er sich als geladener Gast schon im Vorfeld ein Horrorszenario aus, ist doch der potenzielle Gastgeber im Gegensatz zu ihm ein ausgezeichneter Weinkenner und kocht stets selbst, und alles, was er zubereitet, macht er zum ersten Mal und degradiert seine Gäste somit zu Versuchskaninchen -ĂŠanschließende Verdauungsstörungen inbegriffen. Doch schade: Der Gastgeber muss wegen plötzlicher Krankheit absagen. Also geht's ins Schlemmerlokal, wo man den vermeintlich Kranken trifft und ihn die Zeche zahlen lässt - man war ja schließlich eingeladen.
Als Moderatorin fungierte Annette Kruhl, die ihre stärksten Momente ebenfalls nach der Pause hatte. Ihre Anfangsanimation wirkte deplaziert. Selbst im tiefsten Ostwestfalen weiß man mittlerweile, wie das mit dem Applaudieren geht. Im zweiten Teil besann sich Frau Kruhl auf ihre wahre Stärke: das Singen mit markanter Stimme. Einfach schön ihr Loblied auf Ostwestfalen, ihr Frustsong zum Thema »Erotische Spannungen« und ihr Bekenntnis, dass sie Männer mit bayrischem Akzent besonders anziehend findet.
Die Nachspielzeit in Form einer nicht geforderten Zugabe hätte ausgeklammert werden können. Aufhören, wenn's am schönsten ist - doch der rechtzeitige Abpfiff wurde verpasst.

Artikel vom 20.12.2004