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Von Manfred Schraven

Paderborner
Perspektiven

(Un)wort des Jahres: Hartz IV


Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat »Hartz IV« zum Wort des Jahres 2004 gewählt. Für diejenigen, die es angeht, ist es allerdings im wahrsten Sinne des Wortes eher das Un-Wort: Un-endlich viele Überstunden, un-absehbare Urlaubssperre und un-überschaubare Auswirkungen sind nur einige der Begriffe, die den Männern und Frauen in den in Frage kommenden Ämtern und Behörden den Stempel aufdrücken. Diese eigentlich un-zumutbaren Belastungen geben der Arbeitsamtsdirektorin Karin Herta Trübner aber den Rückhalt, dass sie für 2005 im Wort steht: »Keiner wird ins Bodenlose fallen!« Alle Beteiligten haben alles daran gesetzt, um dem »Arbeitslosengeld II/Sozialgeld« den Schrecken zu nehmen.
Jahreswechsel sind üblicherweise die Zeiten für Prognosen. Und so war es über Jahre hin gute Übung, dass die Experten in der Bahnhofstraße einmal im Jahr die harten Zahlen und Statistiken zur Seite legten, um in die Glaskugel zu schauen. Für solch »besinnliche Prognosen« bleibt diesmal wenig Zeit. Im mittlerweile schon gewohnten Jahresabschlussgespräch mit dieser Zeitung sind die Daten kurz und knapp: Der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosen liegt 2004 bei 19 700 (Quote neun Prozent). Das sind drei Prozent mehr als vor einem Jahr. Zum Jahresende liegt die Zahl der Arbeitslosen um sieben Prozent höher als vor einem Jahr. Wie auch soll vermittelt werden, wenn in der Region allein in den letzten drei Jahren mehr als 6000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind? »Wenn wir den Stand halten, können wir froh sein«, heißt es im Arbeitsamt an der Bahnhofstraße. Und dafür, dass es zumindest nicht schlechter wird, hat der Bund ja das Zauberwort parat: »Hartz IV«. Heißt doch hier die Vorgabe: »Rückführung in den Arbeitsmarkt«. Echte Zuversicht indes sieht man den Gesichtern der Experten kaum. Bleibt gottlob die Zusage, dass auch im kommenden Jahr für so genannte arbeitspolitische Maßnahmen 18,6 Mio. Euro bereit gestellt werden. Das Kind allerdings hat einen neuen Namen: Aus »Arbeit statt Sozialhilfe« oder »gemeinnützige Beschäftigung« wird schlicht »Arbeitsgelegenheiten« - Wer sie erhält, dem wird's egal sein.
Das Unternehmen Zukunft heißt »Hartz IV«. Damit nach Stapellauf nicht gleich der Schiffbruch folgt, kommt es auf die Kommandobrücke an, die unter anderem dafür sorgen muss, dass ein »Leichtmatrose« auch die Manöver versteht. Das Logbuch liegt bei der »Arbeitsgemeinschaft von Städten und Gemeinden, dem Kreis und dem Arbeitsamt«, die bisher nach Zuständigkeiten Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, zuletzt auch Kosten für Unterkunft separat verteilten. Es darf nicht passieren, dass die heute 11 958 Arbeitslosengeldbezieher im kommenden Jahr nicht mehr wissen, woher sie ihr Geld bekommen. Beruhigende Worte aus dem Arbeitsamt: Für die Betroffenen läuft alles wie gehabt - egal ob »Arbeitslosengeld« oder »Wohngeld«. Spätestens bis Juni wird es in allen Städten und Gemeinden Anlaufstellen der neuen Arbeitsgemeinschaft geben. Dann ist die Zeit der verschiedenen Leistungsabteilungen vorbei. Mitarbeiter der Sozialämter wie des Arbeitsamtes arbeiten dann Hand in Hand für einen »Kunden«. Hoffentlich bremst jetzt nicht noch ein Gerangel um Verteilerschlüssel der Kommunen . . . Es ist kein Platz für Eitelkeiten.

Artikel vom 18.12.2004