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Die Tücke sitzt in der Präzision

Ein Blick in die Werkshalle der INA Schaeffler KG

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Ein Kind könnte sie auch für Serviettenringe aus Eisen halten, die Innen- und Außenringe der Gelenklager von INA Schaeffler. Dabei handelt es sich um echte Hightech-Produkte für die Automobil-, Maschinen- oder Stahlbauindustrie, denen die ehemalige Firma Elges heute ihre gute Marktposition verdankt.
Keine Serviettenringe sondern Hochtechnologie aus Stahl: Gelenklager von INA. Fotos: WB

Ein Blick in die »geheiligten Produktionshallen« zu werfen, ist nur wenigen erlaubt. Das WESTFALEN-BLATT durfte für seine Leser einmal Mäuschen spielen.
Völlig unspektakulär erscheint zunächst noch das Rohmaterial, aus dem die Lager gefertigt werden. Doch am Ende des Produktionsprozesses werden mit diesen bearbeiteten Stahlringen ganze Schaufelradbagger, Stadiondächer, Staudämme oder Schaltgetriebe beweglich werden. 800 000 Stück verlassen davon jährlich das Werk in Steinhagen.
Einfache Stahlrohre fährt der Gabelstabler zur so genannten Weichbearbeitung in die Dreherei. Vollautomatisch stückelt der Mehrspindler große Stückzahlen an Innen- und Außenringen. CNC-Maschinen liefern im Hartdreharbeitsgang kleinere, schon passgenau gefertigte Stückzahlen.
Nachbearbeitet werden vor allem die so genannten wartungspflichtigen Gelenklager. Das sind die Lager, die erst mit Hilfe von Schmierfetten zwischen dem Innen- und Außenring beweglich werden, und diese Schmierstoffe müssen - wie beim Türscharnier - immer wieder nachgefüllt werden.
Damit Schmierstoffe auch nach der Montage »an den Ort des Geschehens« gelangen können, bringen die INA-Facharbeiter entweder Löcher oder auf Kundenwunsch auch gewirbelte Nutensysteme, die wie ein Reifenprofil aussehen, in den Stahlring ein. Spezielle Außenkerben dienen dazu, die zusammenmontierten Lager auch wieder »aufknacken« zu können.
Ob die Ringe und Bohrungen genau genug gearbeitet sind, das überprüft die Firma selbst vor Ort. Gerhard Solfrian, Leiter der zentralen Technologie bei INA Schaeffler, erläutert: »Wir liefern auch Teile in den Atomlagerbereich, und die müssen zu Hundertprozent kontrolliert und entsprechend dokumentiert werden .«
Wenn die Stahlringe nun gehärtet werden, dann sieht das wie in den meisten stahlverarbeitenden Betrieben aus: Die Teile kommen korbweise in Feuerofenanlagen. Im späteren Abschrecken mittels Salzbädern liegt die Kunst -Êje nach Produkt bei unterschiedlichen Temperaturen. Einige Lager wandern durch weitere chemische Bäder. »Durch die hauchdünn veränderte Oberflächenstruktur verbessert sich die Schmierstoffhaftung«, erläutert Solfrian.
In der Schleiferei werden die zylindrischen Außen- und die gewölbten Innenringe der Gelenklager auf Genauigkeit »getrimmt«: auf drei und vier Millionstel genau. Im Drei-D-Messraum lassen sich sogar noch winzigere Formungenauigkeiten erkennen. Aber nicht nur in den Mikroskop-Bereich hinein wird bei INA gearbeteitet. Beeindruckend sind auch die großen Gelenklager mit Außendurchmessern bis zu 1500 Millimeter - Gewicht mehr als eine Tonne.
Spezialität von INA sind die wartungsfreien Gelenklager. Die Firma hat dazu ein spezielles Gewebe, eine Kunststoff-, Teflon- und Harz-Mixtur, entwickelt. Dieser dünne »Stoff« ersetzt die Schmierung, lässt Außen- und Innenring dauerhaft beweglich ineinander arbeiten: »Elgoglide« hat die Firma dieses Produkt genannt, mit dem sie in diesem Segment Marktführer ist. Zuschneidemaschinen - der Textilbranche entlehnt - bringen das Hightechmaterial in die jeweils gewünschte Form. Dann wird es in die Gelenklagerringe eingeklebt und diese zusammenmontiert. Fertig ist ein Stahlteil, das bei Fahrzeugen in Gangschaltungen genauso wie in Cabriodächern Verwendung findet - made in Steinhagen.

Artikel vom 16.12.2004