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»Gewalt und Gewaltlosigkeit«

Theologische Tagung zum Thema Judentum, Christentum und Islam

Kreis Lippe/Lage-Stapelage (SZ). »Gewalt und Gewaltlosigkeit im Judentum, Christentum und Islam« war das Thema einer zweitägigen Tagung in Haus Stapelage. Eingeladen hatten die Lippische Landeskirche und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Lippe.

»Die Zugänge der drei Religionen zum Thema Gewalt und Gewaltlosigkeit sind unterschiedlich. So finden sich in der Bibel widersprechende Texte«, erklärte Pfarrer Maik Fleck, Beauftragter der Lippischen Landeskirche für jüdisch-christliche Begegnungen. »Es gibt Texte, die als Aufforderung zu Gewalt verstanden werden können und solche, die zu gewaltlosem Handeln herausfordern.« Wichtig sei, die Texte aus ihrer Zeit heraus zu betrachten. »Kontext und Zeit und die eigene Verantwortlichkeit müssen beachtet werden.«
Baruch Rabinowitz, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Wuppertal, führte in jüdische Zugänge von Gewalt und Gewaltlosigkeit ein. »Der jüdische Zugang ist davon geprägt, dass jüdischen Menschen über Jahrtausende die Möglichkeit staatlicher und gesellschaftlicher Gewalt gefehlt hat.«
Jüdischer Glaube gehe davon aus, dass Gewalt zum Menschen gehöre. Die Tora gebe deswegen Hinweise, wie mit der Gewalt umzugehen sei. Gewalt werde definiert als Zwang, den ein Stärkerer gegen einen Schwächeren ausübe. Das geschehe immer wieder in menschlichen Beziehungen, solle aber vermieden werden. Eine Möglichkeit sei dabei die Entwicklung des jüdischen Rechtssystems. Schwächere würden in der jüdischen Tradition besonders geschützt.
Dr. Raschid Bockemühl aus Dortmund ist seit elf Jahren deutscher Muslim. Angesichts der vielen Selbstmordattentäter, die sich auf den Islam berufen, ist es ihm wichtig klarzustellen, dass seine Religion eine friedliche ist und keine militanten Wurzeln hat. »Der Islam wird politisch umfunktioniert und instrumentalisiert«, steht für den Wissenschaftler fest. »Gewaltanwendung aus religiösen Gründen ist im Islam kategorisch ausgeschlossen.« Dass die Menschen sich vereinnahmen lassen, liege für Bockemühl zu einem großen Teil an mangelnder religiöser Bildung: Die islamische Pädagogik muss reformiert werden.« Der Religionsunterricht sei auf so einem katastrophalen Niveau, dass falsche Interpretationen von »irgendwelchen Mullahs« Fuß fassen könnten, »und niemand fährt ihnen in die Parade.« Osama Bin Laden zum Beispiel habe seine politischen Ziele, wie den Abzug der Amerikaner aus Saudi-Arabien, geschickt religiös verbrämt. »Wenn die Menschen dort aufgeklärte Leute wären, hätte ihm das nicht in dieser Weise in die Hände gearbeitet.« Dr. Raschid Bockemühl ist überzeugt von der Friedfertigkeit des Islam.
»Wenn Sie etwas Militärisches sehen aus dem Bereich des Islam, dann prüfen Sie nach, was sind die wahren, die politischen oder ökonomischen Gründe. Die Religion wird aus Gründen der Propaganda missbraucht.«

Artikel vom 15.12.2004