15.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kein Ermessensspielraum bei Abschiebung

Sigrid Beer (Grüne) wirft Ausländeramt Paderborn »unprofessionelles Handeln« vor

Von Rüdiger Kache (Text und Foto)
Paderborn (WV). Der tragische Zwischenfall im Paderborner Ausländeramt, als sich am 11. Oktober ein 18-jähriger Kongolese durch einen Suizidversuch der Abschiebung in sein Heimatland entziehen wollte, wurde gestern im Sozialausschuss noch einmal Gegenstand hitziger Debatten. Vehement wehrte sich Michael Kriesten, Leiter des Ausländeramtes, gegen Vorwürfe der Grünen, man habe unprofessionell und unsensibel reagiert.

Sigrid Beer (Grüne) verlangte im Ausschuss Aufklärung darüber, wie es zu den Ereignissen im Amt gekommen sei, wie die Behörde auf die Vorgänge unmittelbar reagiert habe und wie der »Fall« nun weiter verfolgt werde. »Welche Einschätzungen, Bewertungen, Reaktionen und Statements gibt es von der betreuenden Einrichtung und der Rechtshilfe des Verletzten? Welche Auswirkungen haben die Ereignisse auf das Vertrauensverhältnis der betreuenden Einrichtung zur Verwaltung?«, wollte Sigrid Beer erfahren.
Gleichzeitig bat sie um Hinweise, welche Schlussfolgerungen die Verwaltung aus dem Suizidversuch des jungen Mannes zieht und wie künftig solche Vorfälle vermieden werden können. Wichtig ist ihr auch, wie die Mitarbeiter der Verwaltung auf den Umgang mit traumatisierten Menschen vorbereitet und professionalisiert werden und wie eng die Ermessensspielräume der Ausländerbehörde gefasst sind.
Kritische Nachfragen, so Beer, legten nämlich die Vermutung nahe, dass den Warnungen der betreuenden Menschen in seriösen Organisationen nicht geglaubt werde, die auch im Fall des jungen Kongolesen auf schwere Traumata und eine Suizidgefahr immer wieder hingewiesen hätten.
Kriesten betonte gestern im Ausschuss, dass ein solcher Vorfall, der alle Mitarbeiter tief berührt habe, niemals sicher verhindert werden könne. Er verwies darauf, dass ein vorhandener Ermessensspielraum auch ausgenutzt werde. Bei vom Bundesamt verfügten Abschiebungen gebe es diesen Spielraum aber nicht.
Kriesten erläuterte kurz die Vorgeschichte des Kongolesen, der inzwischen zweieinhalb Jahre in Paderborn lebt. Eine verfügte Abschiebung wurde bereits im Mai kurzfristig storniert, weil eine Suizidgefahr attestiert worden sei. Ein Gutachten vom September hab aber uneingeschränkte Reisefähigkeit bescheinigt sowie keine akute Selbsttötungsgefahr mehr.
Auch von Sigrid Beer geäußerte Zweifel an der Kompetenz des Gutachters wies Kriesten zurück. Er räumte ein, dass es Defizite in der speziellen Fortbildung für den Umgang mit Traumatisierten gebe, die jedoch in Seminaren behoben werden sollen. Und es sei eine verstärkte partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den betreuenden Einrichtungen vereinbart worden.
Kriesten: »Ich erwarte von den Betreuern aber auch, dass sie bei Aussichtslosigkeit eines Asylverfahrens aktiv auf eine freiwillige Ausreise des Betreffenden hinarbeiten und nicht auf eine Verlängerung.« Die Mitarbeiter seines Amtes seien häufig verbalen Drohungen ausgesetzt, man arbeite zu deren Schutz jetzt an einem Sicherheitskonzept mit baulichen und technischen Veränderungen. Zurzeit kann jeder ohne vorherige Durchsuchung die Büros betreten.
Kommentar

Artikel vom 15.12.2004