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Kabarett mit Hindernissen

Lilia Tetslau gastierte in der Bürener Niedermühle

Von Helmi Fischer (Text und Foto)
Büren (WV). Lilia Tetslau ist Spätaussiedlerin, in Sibirien geboren, hat in Russland Schauspiel und Regie studiert und feiert mit ihrer sehr speziellen Ein-Frau-Show dieses Jahr ihr zehntes Bühnen-Jubiläum. In ihrem Programm »Deutsch... aber nicht ganz« verarbeitet sie auf wunderbar ironische Weise die Probleme der Aussiedler mit Ämtern und Behörden, dem dazugehörigen Papierkram und den Mitmenschen, die sie so gar nicht verstehen.

Und dass sie ein Profi ist, stellte sie in der Niedermühle routiniert unter Beweis, als ihr zuerst fast die Bühnendekoration auf den Kopf fiel und dann auch noch ihr Mikrofon den Geist aufgab. Nichts desto trotz nahm sie auch diese Probleme mit Humor und meinte trocken: »Büren werde ich bestimmt nicht vergessen«. In der Niedermühle reichten kaum die Stühle, so gut besucht war die Vorstellung. Jeder im Publikum, sowohl Spätaussiedler als auch Einheimischer, fand sich wieder in den lebhaft vorgetragenen Anekdoten. So stellte Lilia Tetslau auf ihrem Weg durch das Integrations-Labyrinth fest: Nicht nur Spätaussiedler haben Probleme mit der deutschen Sprache, auch Politiker könnten manchmal einen Übersetzer gut gebrauchen. Denn selbst nach Sprachkursen und 13 Jahren in Deutschland würde sie doch immer wieder zweifeln, ob sie denn auch das sagte, was sie meinte - genau wie die Politiker. Und die Bürokratie sei in Deutschland noch um vieles besser als die in Russland. So viele Papiere und Fragebögen habe sie, dass sie überlegen müsse, ob sie denn schon ihre Einbürgerungsurkunde habe. Eine Freundin half ihr auf die Sprünge: »Hat Dir schon jemand gratuliert und die Hand geschüttelt?« Und dann die Fragen auf den Formularen: Wer kann sich schon konkret erinnern, was er mit fünf Jahren gedacht hat ? So wollte man von ihr wissen, ob sie denn schon in diesem Alter den Wunsch hatte, nach Deutschland auszuwandern. Ja, natürlich - wer wird da schon nein sagen ? Und dann war da ihr erster Chef, dem sie die Illusion rauben musste, alle Russen könnten Wodka trinken wie Wasser - weit gefehlt - nicht alle können, nicht alle wollen. Russisches Roulette durfte in der Niedermühle ebensowenig fehlen, wie ein Seitenhieb auf die Männerwelt. Diese steht vor einer Katastrophe: Bier- und Zigarettenpreise steigen, Job futsch und kein Geld.
Da kommt doch eine Aussiedlerin ganz recht. Nur unterschätzt der stolze Mann die Auswirkungen. Erstaunlich schnell hat er gleich mehrere Jobs, als Fitnessgerät erfüllt die Nudelrolle auch ihren Zweck und so ganz nebenbei wird der Teig für »Pelmeni«, eine Art sibirische Ravioli, zubereitet, die es dann morgens, mittags und abends gibt.
So kamen die Kabarrettbesucher in der Niedermühle voll auf ihre Kosten und die quirlige Künstlerin nicht ohne Zugaben von der Bühne. Im Anschluss gab es Gespräche mit Lilia Testlau und Häppchen aus der russischen Küche.

Artikel vom 14.12.2004