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65 Jahre Treue klingt wie Wunder

Eiserne Hochzeit: Erich und Martha Bolte aus Gütersloh feiern seltenes Ehejubiläum

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Auch Wunder dauern manchmal eine Ewigkeit: Erich und Martha Bolte aus Gütersloh haben alle Klippen des Lebens miteinander umschifft und sind sich 65 Jahre lang treu geblieben. Am Mittwoch, 15. Dezember, feiern beide etwas ganz Besonderes, nämlich die »Eiserne Hochzeit«.

Liebe kann sich verbrauchen. Sie kann einem Zustand weichen, in dem »sie« und »er« sich nichts mehr zu sagen haben. Warum bleiben Paare dann trotzdem zusammen? »Vielleicht aus Angst vor Veränderung?«, mutmaßen Soziologen. Aus Bequemlichkeit, aus Gewohnheit? Oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit? Im Glücksfall aber wird die anfängliche Leidenschaft später zur partnerschaftlichen Liebe, so wie bei Erich und Martha Bolte. »Wir beide hatten wirklich Glück«, versichern sie, wenn sie Bilanz ziehen. Der ehemalige Buchhalter der Firma Bartels und die Hausfrau, die beide in Höxter geboren wurden und sich im Sandkasten kennenlernten, haben sich auch heute - nach mehr als sechs Jahrzehnten - noch immer viel zu erzählen. Jeder spürt, dass sich aus einem zarten und unschuldigen Gefühl eine tiefe und reife Liebe entwickelt hat. Erich ist heute 91 Jahre alt, Martha 90. Keine Frage, er ist für sie die Lebensgrundlage und sie für ihn. Beide geben sich Sicherheit und Zuversicht. »Ach was«, seufzt Erich Bolte, »was haben wir nicht alles zusammen erlebt?«
Er runzelt die Stirn, blickt unter die Wohnzimmerdecke und man sieht es seinen Augen förmlich an: Erich Bolte erinnert sich mit einem schüchternen Lächeln an den Tag, an dem er seine Martha geheiratet hat. »Es war der 15. Dezember 1939, und es war bitterkalt. Wir haben uns im alten Rathaus in Gütersloh das Ja-Wort gegeben. Vorher und nachher musste ich arbeiten.« Und dann schießen die Erinnerungen nur so aus ihm heraus. Bolte, von Geburt an einseitig gelähmt, fand endlich im August 1936 eine Arbeitsstelle bei der Seidenweberei Bartels in Gütersloh. Er arbeitete sich vom Lagerarbeiter bis zum Lohnbuchhalter hinauf. 1972 wurde das Unternehmen aufgelöst. Dann wurde er Rentner.
Erich Bolte: »Wir haben es geschafft, uns etwas aufzubauen und unseren Sohn und unsere Tochter in einer schweren Zeit groß zu ziehen. Wir sind gemeinsam alt geworden, haben uns gemeinsam verändert und dabei niemals im Alltagstrott unsere Beziehung aus den Augen verloren.« In der Woche bekommen sie ihre Mahlzeiten geliefert, von freitags bis sonntags steht Martha noch in die Küche und kocht. »Darauf freue ich mich jedes mal wie ein kleines Kind«, verrät Erich. Eiserne Hochzeiten sind heute schon selten geworden. In zehn bis 15 Jahren wird es sie wohl gar nicht mehr geben, denn die gesellschaftlichen Veränderungen sind kaum noch zu stoppen. »Die Menschen heute haben kein Verantwortungsgefühl mehr. Es geht ihn einfach noch zu gut«, sagen Erich und Martha Bolte. Und dann lesen sie einen Satz aus einem Buch vor: »Das Bewusstsein eines erfüllten Lebens und die Erinnerung an viele gute Stunden sind das größte Glück auf Erden.«

Artikel vom 11.12.2004