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»Billig-Bote« bringt Briefe

Deutsche Post setzt bei der Zustellung immer mehr Teilzeitbeschäftigte ein

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld/Herford (WB). Die Deutsche Post stellt aus Kostengründen ihre Briefzustellung um: Immer mehr Briefträger sollen in der Woche nur noch 30 statt 38,5 Stunden arbeiten. Die Zahl der Zustellbezirke steigt ständig, in denen nur noch Teilzeitbeschäftigte die Post zum Kunden bringen.
In Deutschland gibt es bereits viele Postboten, die nur noch 30 Stunden in der Woche arbeiten. Der Grund: Hilfskräfte sortieren die Briefe vor. Die Briefträger können sofort mit der Zustellung beginnen.
Nach Angaben von Gewerkschaftssekretär Michael Ledig (Verdi Bielefeld) ist es Wunsch der Post, »Billig-Briefträger« flächendeckend einzuführen. Davon seien bundesweit dann 70 000 Zusteller in knapp 59 000 Zustellbezirken betroffen.
»Wo es sinnvoll ist und es sich wirtschaftlich rechnet, werden Briefträger in Zukunft nur noch 30 Stunden arbeiten,« sagte Postsprecher Dirk Klasen (Bonn) dieser Zeitung. Es gelte zunächst Betriebsräte und die Gewerkschaft von dieser Rationalisierungsmaßnahme zu überzeugen.
Für die 1300 Zustellbezirke in Ostwestfalen-Lippe haben der Betriebsrat des Briefzentrums Herford und die Post vereinbart, dass bei Einführung der Teilzeit der bisherige Stammzusteller in einen Nachbarbezirk versetzt wird. Diese Betriebsvereinbarung gilt zunächst für zwei Jahre. In OWL gibt es bereits 20 Bezirke, in denen Teilzeitbeschäftigte die Post austragen. »Die Zahl dieser Bezirke wird sich auf jeden Fall in nächsten Zeit erhöhen,« sagte Postsprecher Achim Gahr (Düsseldorf) dieser Zeitung.
Nach Angaben von Postsprecher Klasen kann die Stundenzahl der Briefträger reduziert werden, da das Vorsortieren der Post für die Zusteller entfällt. Für das Sortieren würden Hilfskräfte eingesetzt. Die Umstellung der Zustellung soll für den Kunden unsichtbar erfolgen, betonte Klasen. Die bisherige Qualität der Zustellung soll gehalten werden.
Qualitätseinbußen bei der Zustellung beklagen hingegen bereits jetzt die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Verband für Post und Telekommunikation (DVPT). DVPT-Sprecher Elmar Müller: »Schon jetzt machen 15 Prozent aller Postboten Überstunden. Wird die tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden überschritten, bleibt die Post liegen.« In Hamburg, Stuttgart, Frankfurt und Ludwigshafen habe es im November in einigen Bezirken an zwei Tagen überhaupt keine Post gegeben. Diese massiven Schwierigkeiten bei der Zustellung sei für die Post peinlich genug gewesen.
Die Vollzeitbeschäftigung bei der Briefzustellung sei mehr als gefährdet, sagte Lutz Eßlinger, Referent bei der Verdi-Fachgruppe Postdienste (Berlin). Derzeit gebe es um die Briefzentren eine Art »Häuserkampf«, da die Post gegen den Willen von Betriebsräten und Gewerkschaften die Teilzeitbeschäftigung durchsetzen wollten. Betroffen seien bereits Postboten in 1350 Zustellbezirken vor allem in den neuen Bundesländern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bayern. Eßlinger: »Teilzeitbeschäftigte verdienen 800 bis 900 Euro im Monat. Davon kann keine Familie ernährt werden. Wir befürchten den massiven Verlust von Vollzeitkräften bei der Zustellung.«

Artikel vom 11.12.2004