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»Geburtshilfe« im sterilen Labor

Gärtnerei Röllke öffnet Tür - Rezepturen für Nährboden geheim

Von Bernd Steinbacher
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Äußerste Sorgfalt ist geboten, sonst wird aus dem Staubkorn großen Samen keine Orchidee. Die Tür zum Labor der Gärtnerei Röllke öffnete für das WESTFALEN-BLATT Kerstin Röllke.

»Sterilraum. Bitte nicht betreten«, steht unübersehbar an der Tür. Hinter dieser Tür mit Glasscheibe, im sterilen Laborraum, erhalten die Orchideensamen Geburtshilfe. Die Samen können ohne fremde Hilfe nicht keimen. In der Natur hilft ein Pilz, im Labor werden sie auf einem Nährboden gebracht und in sterilen Bechern groß gezogen. Selbst der Nährboden muss sterilisiert werden, da sich sonst Pilze oder Bakterien breit machen können.
Das Sterilisieren geschieht durch Erhitzen, 15 Minuten lang bei 120 Grad und einem Bar Druck. »Der Samen würde eine solche Behandlung natürlich nicht vertragen«, erklärt Kerstin Röllke. Deshalb wird der Samen gewonnen, bevor er mit der Umwelt in Kontakt kommt. Der Samen ist geschützt in einer geschlossenen Kapsel an der Orchidee. Diese wird nach etwa zwei Drittel der Reifezeit von neun Monaten geerntet. Zu früh darf es allerdings nicht geschehen, sonst geht der Samen nicht auf. Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung sind also gefragt, damit die schönen Blüten später einmal die Käufer erfreuen.
Der Sterilraum selbst ist mit einem Spezialfilter ausgestattet. Zu 99,998 Prozent reine Luft wird an den Arbeitsplatz gepustet. Eine Glasscheibe verhindert dort, dass die Mitarbeiterin zu nahe an den sensiblen Bereich kommt. »Früher wurden die Samen oft über Wasserdampf auf den Nährboden gebracht. Doch das war nicht so sauber wie beim heutigen Verfahren«, so Kerstin Röllke. Die landwirtschaftlich-technische Assistentin sagt, dass es wohl kein Labor gebe, wo man das Züchten von Orchideen lernen könne. Es gebe Betriebsgeheimnisse, die niemand preisgibt. Dazu gehörten zum Beispiel die Rezepturen für Nährböden. »Das Sammeln eigener Erfahrungen ist wichtig.«
Das Labor ist aus dem Hobby des Schwiegervater heraus bereits in Brackwede entstanden und seit elf Jahren befindet es sich in Stukenbrock. »Wir sind alle hoffnungslose Orchideenliebhaber«, lacht Kerstin Röllke, während sie Pflanzen im ebenfalls sterilen Aufzuchtraum zeigt. Mehrere tausend Becher mit verschiedensten Arten sind dort untergebracht. Es herrscht eine durchschnittliche Temperatur von etwa 22 Grad.
Bis aus dem Samen eine Pflanze wird, vergehen etwa zwei Jahre. Drei weitere Jahre Geduld sind im Schnitt nötig, bis die Pflanze dann blüht. »Wenn aus zwei Aussaatbechern etwa 1000 Pflanzen werden, ist es gut«, so die Expertin.
Nach dem Pikieren befinden sich in der Endstufe 25 Pflanzen in einem Becher. Diese werden dann an Gärtnereien in ganz Europa und an Hobbyisten verkauft. Die Gärtnerei Röllke profitiert dabei vom Internet zur Bestellungsabwicklung und von den offenen Grenzen. Dadurch ist der bürokratische Aufwand gesunken.

Artikel vom 13.12.2004